Eine Glashütte in Glashütten. Trotzdem eine archäologische Entdeckung
Andreas Bernhard
Vorbemerkungen von Bernhard Hebert
Selten trifft so vieles glückhaft zusammen: eine Fundmeldung an das Bundesdenkmalamt, ein absolvierter Archäologe, der gerade seine Dissertation[1] in Geschichte über die frühen Glashütten der Koralm schreibt – von wegen, dass es keine landeskundlichen Abschlussarbeiten mehr gäbe –, ein archäologisches Beschäftigungsprojekt der StAF (Steirische Arbeitsförderungsgesellschaft m.b.H.), und – am wichtigsten – Grundeigentümer, die das, was dort aufgetaucht ist, nicht als Störung, sondern als Bereicherung sehen und die Gestaltung des Umfelds des revitalisierten Dorfwirtshauses gerne aufschieben – auch die hier zum Verkauf aufgestellten Rosen müssen einstweilen enger zusammenrücken.
Und was ist nun aufgetaucht? Der Nucleus der kleinen Ansiedlung Glashütten, die heute zur Marktgemeinde Schwanberg gehört: die Reste der barocken Glashütte! Längst abgerissen und einplaniert, aber das „Glasmacherdorf“ rundherum ist in wesentlichen Teilen noch da: Glasererkeuschen, Kapelle, und ganz nahe, weil die Hitze macht Durst, eben das Wirtshaus. Dass die Glashütte hier irgendwo sein musste, war klar, auch einiges von ihrer Geschichte war vom so früh verstorbenen HLK-Mitglied Paul Roth vorgelegt worden.[2] Doch wo genau, was erhalten sein mag und wie die technischen Einrichtungen waren, wusste niemand. Auch eindeutig zuordenbare Produkte bzw. Produktreste fehlten.
Die Glashütte in Glashütten
Eben genau dieser Wissensstand sollte noch bis in den November 2020 Gültigkeit behalten, denn erst im Zuge einer Kontrollbegehung auf dem Grundstück des Alpengasthofes Glashütten konnten charakteristische Glasfragmente sowie Werkabfälle aus der Glasproduktion aufgesammelt und dem Bundesdenkmalamt gemeldet werden.
Schnell kam die Idee einer archäologischen Ausgrabung zum Reifen, die durch das große Einverständnis der Grundeigentümer sowie durch die Finanzierung der Vorhaben durch die Stadtgemeinde Deutschlandsberg ab Anfang Mai 2021 starten konnte.
Wie sah nun das wirtschaftliche Umfeld einer Glashütte aus und welche Faktoren bestimmten den Fortbestand eines Betriebes? Wir müssen uns die so genannten Waldglashütten als standortabhängige frühe manufakturartige Wirtschaftsbetriebe vorstellen, deren existentielles Überleben stark von der ausreichenden Verfügbarkeit der Rohstoffe zur Glasherstellung abhängig war. Zu diesen Ressourcen zählte vor allem der Quarz als glasbildendes Element, der im Plattengneis der Koralm als Gangquarz oder auch als ausgewitterter Findling vorkommt. Die hütteneigenen Waldungen spielten eine große Rolle, sicherten sie doch die ausreichende Versorgung der Glashütte mit dem Rohstoff Holz, der für die Befeuerung der Glasschmelz- und Nebenöfen bis zur Ablöse durch die Kohle im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung unentbehrlich war. Ein ganz wesentlicher Rohstoff zur Glasschmelze soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, nämlich die Pottasche, besser bekannt als Kaliumcarbonat.
Erst die Beimengung von Pottasche zum Glassatz, die auch den bezeichnenden Namen „Flussmittel“ trägt, ermöglichte das Aufschmelzen des Quarzes, denn die Pottasche setzte den Schmelzpunkt von etwa 1700 Grad Celsius auf ungefähr 1300 Grad Celsius herab. Die Herstellung der so produktionswichtigen Pottasche geschah durch die Verkohlung von Holz in Kohlenmeilern, worauf die Holzkohle in Wasser ausgelaugt und die vorliegende Flüssigkeit schlussendlich in großen Kesseln verdampft wurde und als Endprodukt die rohe Pottasche übrigblieb.
An weiteren Beimengungen zur Glasschmelze wären noch Kalk und das Glas intensiv färbende Substanzen, wie etwa Kupferoxid (roter Farbton) und Kobalt (blauer Farbton), zu erwähnen. Der überwiegende Anteil der erzeugten Hohlgläser und Fensterscheiben wies den für das Waldglas so typischen hellgrünen Farbton auf.
Die Glasmacher als überregional stark nachgefragte Spezialisten zogen aus weit entfernten Regionen in die Weststeiermark zu, wie beispielsweise aus dem Waldviertel, dem Bayerischen Wald oder aus Italien – insbesondere der Ort Altare bei Genua wäre zu erwähnen. Dieses Phänomen erfassen wir heute mit dem Begriff „Glasmacherwanderung“.
In diesem Zusammenhang sei auf die Glasmacherdynastien der „Khayser“ und „Puschmann“ verwiesen, wobei beide Familien in Glashütten eine besondere Rolle innehatten. Bereits im Jahr 1621 wird Thoman Khayser als Pächter der ältesten Glashütte in dieser Gegend erwähnt, die allerdings nicht im heutigen Dorf Glashütten, sondern im Tal der Schwarzen Sulm lokalisiert werden konnte. Durch Holzmangel und die ansteigenden Transportkosten bedingt wurde um das Jahr 1660 der Betrieb in der alten Glashütte eingestellt, eine Entwicklung, die schlussendlich zur Gründung einer neuen Hütte im heutigen Ort Glashütten – näher am Wald gelegen und mit einer optimaleren Verkehrslage ausgestattet – führte.
Für die Rekonstruktion der Geschichte dieser jüngeren Glashütte, auf die auch der heutige Ort Glashütten zurückgeht, liegen umfangreiche schriftliche Quellen im Steiermärkischen Landesarchiv vor.[3] In diesem Zusammenhang wären beispielsweise mehrere Pachtverträge zwischen der Herrschaft Schwanberg und den Puschmanns, Hütteninventare sowie die Korrespondenzen der Hüttenschreiber zu erwähnen. Die Berichte der Hüttenschreiber aus dem Zeitraum zwischen 1724–1737 vermitteln uns ein lebendiges Bild der Arbeitsabläufe und Produkte wie auch der sozialen Verhältnisse in der Glashütte, wobei Streitigkeiten unter den Glasmachergesellen, Trunksucht und sogar Mobbing vorkamen.
Die Produktpalette der Hütte umfasste verschiedensten Gattungen von Fensterscheiben, wie etwa die sogenannten Form-, Gulden- und Tafelscheiben. Aber auch unterschiedlichstes Hohlglas, beispielsweise Stumpen, Uringläser, Medizinfläschchen, Deckelgläser, Rosogliogläser und Kerzenmodel, hatte einen hohen wirtschaftlichen Stellenwert. Der Vertrieb der Glaswaren erfolgte in erster Linie nach Graz, in die West-, Ost- und Obersteiermark sowie in das Lavanttal und bis nach Klagenfurt.
Das Stammpersonal in der Glashütte bestand aus dem Meister, den Obergesellen und Lehrjungen, dem Glasschreiber, dem Tag- und Nachtschürer, dem Holzhacker sowie einer Einbinderin. Durch das Zusammenwirken mehrere Faktoren, worunter beispielsweise der schleppende Absatz und die mindere Qualität des erzeugten Glases oder der eklatante Holzmangel zu nennen sind, kam es im Jahr 1737 zur Einstellung des Glashüttenbetriebes und in weiterer Folge zum Verkauf der Hüttenliegenschaften.
Dank der archäologischen Grabungen gelang es nun genau diesen jüngeren Standort der Hütte mit seinem Herzstück, dem Glasschmelz- und Kühlofen, zu lokalisieren. Zum Befund ist Folgendes festzuhalten: Das „Herzstück“ der Ofenanlage, die durch ihre Gesamtgröße von 8,15 m Länge beeindruckt, stellt die mit einer Dimension von 1,35 x 0,7 m relativ kleine Schmelzkammer des Glasofens dar. Auf der 0,4 m tief erhaltenen Ofensohle lagen als große Überraschung im Zuge der Freilegung noch Fragmente von zerbrochenen Schmelztiegeln, den so genannten Hafen, wie auch ein kleiner vollständig intakter Tiegel, der wahrscheinlich zur Reduktion von Metall diente.
Ursprünglich standen die Tiegel auf einem gemauerten Rücksprung im Glasschmelzofen, der sogenannten Hafenbank, die wiederrum von einem Gewölbe oder einer Kuppel überbaut war. Über in die Ofenkuppel eingelassene Arbeitslöcher entnahmen die auf einer Arbeitsbühne stehenden Glasmacher das rohe Glas mit ihren Glasbläserpfeifen und formten es zu unterschiedlichsten Werkstücken.
Besonders signifikant für die freigelegte Ofenanlage erscheint die sogenannte Doppelbefeuerung, die durch einen über 3,9 m langen Heiz- und Schürkanal an der einen Seite sowie eine zweite gegenüberliegende Feuerungs- und Reinigungsöffnung erfolgte. Diese Gegenfeuerung setzt sich aus einer tief in den gewachsenen Boden eingelassenen Aschengrube sowie aus einem die Grube begrenzenden V-förmig orientierten Mauerwerk zusammen.
Das Fundamentmauerwerk des ursprünglich über dem Heizkanal erbauten Kühlofens, der in seinem Innenraum eine überwölbte Kammer besaß, in der das fertige Glas in Kühlgefäßen aus Ton langsam auf Raumtemperatur abkühlte, besitzt die beachtliche Mauerstärke von 1,55 m und reicht bis zu 0,85 m in den anstehenden Boden hinab.
Ein in seiner Funktionsweise und im Aufbau ähnlicher, aber chronologisch um einige Jahrzehnte älterer Glasofen konnte im Jahr 2011 auf einem Ausläufer des Reinischkogels erforscht werden, dessen historischer Standort den bezeichnenden Flurnamen „Glaserwiese“ trägt. Heute befindet sich dort das „Museum Waldglashütte“, eine Außenstelle des Burgmuseums Archaeo Norico Deutschlandsberg, das mit seinem großzügigen Schutzbau aus Holz über den Ruinen des Glasofens die Geschichte der Waldglasproduktion erlebbar macht.[4]
Vielleicht reifen die bereits frühzeitig von den Grundeigentümern angestellten Überlegungen, die ergrabenen Überreste der Hütte in Glashütten und damit den nun materiell fassbaren Ursprung des Dorfes sichtbar zu belassen, so weit, dass die dauerhafte Präsentation einer zweiten frühen Glashütte zustande kommt. Sie ließe sich dem Fallbeispiel der „Glaserwiese“ eindrucksvoll an die Seite stellen und würde den Geopark am Dorfplatz von Glashütten bereichern.
Anmerkungen
[1] Andreas Bernhard, Die Glashütten der Koralmregion. Von den Waldglashütten zu den Glasfabriken (1600–1930) (Arbeitstitel).
[2] Paul W. Roth, Die Glaserzeugung in der Steiermark von den Anfängen bis 1913. Modell der Geschichte eines Industriezweiges (= Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 29, Graz 1976), 43–63.
[3] StLA Graz, Archiv Saurau, Familie.
[4] Andreas Bernhard/Eva Steigberger, Greisdorf/Glaserwiese. Die frühneuzeitliche Waldglashütte. In: wiederhergestellt 23 (2013).
Mag. Andreas Bernhard, geb. 1973 in Graz, Studium der Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien. 1999–2004 Projektleitung „Archäologie“ bei der Firma BIDL. Seit 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Archäologe am Burgmuseum Deutschlandsberg. Seit 2017 Doktoratsstudium an der Karl-Franzens-Universität Graz (Fachbereich Wirtschafts- und Sozialgeschichte).