Das latènezeitliche Gräberfeld in Lang
Florian Mauthner
Auf einem von der Bundesstraße und Autobahn auf Höhe der Anschlussstelle Lebring im Westen gut sichtbaren, Nord-Süd verlaufenden Höhenrücken zwischen den Ortsteilen Lang und Schirka in der Gemeinde Lang (Bezirk Leibnitz) liegt verborgen im Buchenwald ein idyllisches Gräberfeld. Bereits seit einigen Jahrzehnten – auch durch unautorisierte Grabungen – bekannt, wurde im Jahr 2010 eine archäologische Grabung[1] durchgeführt, welche insgesamt sechs latènezeitliche Flachgräber zu Tage brachte. Im Rahmen des Dissertationsvorhabens des Verfassers rückte dieses Gräberfeld wieder ins Interesse der archäologischen Fachwelt und so konnte durch die Kooperation des Kulturparks Hengist (Grabungsleitung Dr. Christoph Gutjahr) mit ASIST (Archäologisch-Sozialen Initiative Steiermark), StAF (Steirische Arbeitsförderungsgesellschaft m.b.H.) und dem Archeo Norico Burgmuseum Deutschlandsberg von Mai bis Juli 2021 eine archäologische Grabung durchgeführt werden.
Das Gräberfeld erstreckt sich über 450 m entlang des Höhenrückens und besteht aus insgesamt zwölf Grabhügeln. Besonders auffällig erscheinen die paarweise angeordneten Hügel, welche im nördlichen und zentralen Bereich liegen, sowie der genau mittig im Gräberfeld situierte Hügel 10, der den größten Hügel darstellt. Die Grabhügel selbst sind perlschnurartig angeordnet, einzig der ganz im Süden gelegene Hügel zwölf erscheint stark abseits des Gräberfeldes situiert zu sein. Einige Fundstücke, darunter mehrere Schmuckobjekte und Waffen sowie der Großteil eines latènezeitlichen Wagengrabes, wurden vor geraumer Zeit im Rahmen von Detektorprospektionen geborgen und befinden sich nun im Archeo Norico Burgmuseum Deutschlandsberg.
Aufgrund eines geplanten Forstweges kam es 2010 zu den eingangs erwähnten Grabungen, welche zwei größere Freiflächen zwischen den Hügelgräbern betrafen, wobei die Flachgräber 2, 3 und 7 nur oberflächlich beurteilt wurden. Flachgrab 1, welches zwischen den Hügeln 9 und 10 aufgefunden wurde, beinhaltete ein Eisenschwert mit Flügelknauf und herzförmigem Ortband, eine eiserne Lanzenspitze, einen Schildbuckel sowie eine Gürtelkette aus Eisen und eine eiserne Drahtfibel.
Im zweiten Grabungsschnitt konnten die Flachgräber 4, 5 und 6 freigelegt werden, wobei Grab 4 neben Leichenbrand eine eiserne, achterförmig geflochtene Gürtelkette beinhaltete und daher eventuell als Frauengrab angesprochen werden kann. Im Zuge der Bergung von Grab 4 konnte knapp anschließend die Urnenbestattung 5 festgestellt werden, dessen Urne ein Kegelhalsgefäß mit Wulstrand war. Flachgrab 6 bestand aus zwei Leichenbrandkonzentrationen, deren eine ein Messer mit Schleifstein sowie zwei eiserne Fibeln als Beigaben hatte. Der zweiten Konzentration war eine Gürtelkette beigegeben, wobei zwischen beiden Konzentrationen ein größeres Eisenobjekt lag, welches noch nicht restauriert ist. Bei allen hier angeführten Gräbern kann anhand der bisher restaurierten Funde (die Restaurierung der Funde ist noch nicht abgeschlossen) von einer Datierung in die Stufe LT C1, also in die Mitte des 3. Jhs. v. Chr., ausgegangen werden.
Im Zuge eines laufenden Forschungsvorhabens zur Latènezeit der westlichen Steiermark, worin auch die Aufarbeitung der Gräber von Lang steht, rückte das Gräberfeld wieder in den Fokus, da es noch manch offene Fragestellung gab. Zum einen sollte ein mutmaßlich hier gefundenes latènezeitliches Wagengrab untersucht und gegebenenfalls verifiziert werden, andererseits stand auch die Frage nach der Datierung der Grabhügel im Raum.
Das Wagengrab, welches in den 1970er Jahren im Rahmen der oben erwähnten Detektorprospektion geborgen wurde und im Burgmuseum Deutschlandsberg zu besichtigen ist, wurde bereits zum Teil publiziert[2], jedoch war der zugehörige Befund unklar. Durch die Aufzeichnungen im Burgmuseum Deutschlandsberg konnte der Fundumstand des Wagengrabes mit Flachgrab 2 im Gräberfeld in Verbindung gebracht werden, wodurch an dieser recht flachen Stelle zwischen den Hügeln 7 und 8 gezielt gegraben werden konnte. Nachdem die durchmischte Verfüllung der 1970er Jahre entnommen worden war – hier konnten noch einige Ziernägel aufgefunden werden –, erfasste man die gesamte Ausdehnung des Grabschachtes sowie Reste der originalen Grabfüllung. Bemerkenswerterweise konnten an den Seitenwänden und auf dem Boden der Grabgrube noch die Eisenabdrücke der in den 1970er Jahren entnommenen Wagenreifen und der weiteren Funde, etwa Trensen oder Spannstangen, festgestellt werden. Die noch erhaltene primäre Grabfüllung bestand aus einer Mischung von Leichenbrandresten, Brandrückständen und Erde, und darin konnten weitere Nägel, Bruchstücke von Keramikgefäßen sowie ein tordierter Eisenstab gefunden werden. Dieser aktuelle Befund erlaubt es zweifelsfrei, den in Deutschlandsberg aufbewahrten Fundkomplex des Wagengrabs dem Flachgrab 2 zuzuweisen, wodurch das erste Wagengrab der Latènezeit (Lt B2/C1, frühes bis mittleres 3. Jh. v. Chr.) in der Steiermark nachgewiesen ist. Einerseits sind nämlich die oben genannten Nägel identisch zu denen im Depot, zum anderen passt der tordierte Eisenstab bruchstellenecht an eine Spannstange im Museum.
Um die zweite Fragestellung der Hügelgräber zu beantworten, wurde der Hügel 9 aufgrund der geringen Bewaldung für die Grabung ausgewählt. Bereits im ersten der vier Quadranten konnte zur Überraschung der Grabungsteilnehmer*innen, unter welchen sich neben Mitarbeiter*innen von ASIST und dem Kulturpark Hengist auch zeitweise Grabungstourist*innen[3] befanden, eine Urnenbestattung der Latènzeit freigelegt werden, welche interessanterweise im Außenbereich des Hügels lag, also nicht die erwartete zentrale Bestattung darstellte. Dieses Grab 1 besteht aus einem Keramikgefäß mit Schulterwulstverzierung, in welchem sich noch zumindest ein Metallfund, wohl eine Fibel, befindet. Knapp südlich anschließend konnte Grab 2 aufgefunden werden, welches auch eine keramische Urne und eine kopfüber darauf situierte Schale mit Omphalos beinhaltete. Im Inneren der Urne wurden ein Ösengriffmesser sowie ein weiteres Metallobjekt zusammen mit dem Leichenbrand verwahrt. Nach Ansprache der bisher bekannten Funde können beide Gräber wohl in die ausgeprägte Frühlatènezeit (LT B2, frühes 3. Jh. v. Chr.) datiert werden.
Besonders bemerkenswert erscheint Grab 3, welches im zweiten Quadranten, ebenfalls in der Hügelperipherie, aufgefunden wurde. Aus diesem Grab mit rechteckiger, nord-süd orientierter Grabgrube liegen eine Vielzahl an Gefäßkeramikbruchstücken und Brandschutt der Totenverbrennung auf dem Scheiterhaufen vor. Im Süden der Grube konnte eine Konzentration an zerscherbten und stark verbrannten Keramikgefäßen festgestellt werden, welche wahrscheinlich in einem vergangenen, wohl organischen Behältnis niedergelegt worden waren, da in diesem Bereich von 25 x 40 cm keine Brandschuttreste erkannt werden konnten. Nördlich davon und zum Teil unter das Behältnis laufend, konnte viel Brandschutt mit zerscherbter Gefäßkeramik freigelegt werden, wobei dazwischen auch Metallobjekte zum Vorschein kamen. Zu diesen zählen ein gedrehter Drahtarmeif aus Silber sowie ein silberner Fingerring, beide die ersten ihrer Art in der Steiermark, und mehrere Bruchstücke eines noch nicht anzusprechenden Bronzeobjektes. Besonders auffällig sind die beiden Eisenfibeln, welche in der Steiermark bisher ebenfalls singulär erscheinen. Zum einen handelt es sich um eine Fibel mit scheibenförmiger Fußzier vom Typ Münsingen, deren Scheibe wohl mit einer Korallenauflage verziert war. Die zweite Fibel besitzt eine Fußzier in Form einer Eichel mit einer Schale aus Eisen und einer Einlage, welche wohl ebenfalls Koralle sein dürfte. Das Objekt aus gebranntem Ton, welches stark an keltische Zierformen erinnert, ist bis dato ebenfalls ein Unikat im Südostalpenraum. Unter diesem Brandschutt konnte eine Schale mit Omphalos freigelegt werden, welche als Urne für den Leichenbrand genutzt wurde und von mehreren Gefäßbruchstücken wie einem Flaschenhals umgeben und überdeckt war. Nach bisherigem Ausweis der Funde kann dieses Grab an den Übergang der Stufen LT B1 zu LT B2 (4./3. Jh. v. Chr.) gesetzt werden.
Im Zentrum des Hügels konnte, etwas nach Nordwesten versetzt, ein viertes Grab nachgewiesen werden, welches eine eigene Hügelaufschüttung bestehend aus Erdmaterial vermischt mit Brandknochenschutt und Keramik besaß. Am Boden dieses 163 cm langen und 50 cm breiten Schachtes konnte eine rechteckige Deponierung von Brandknochen, welche auf ein wohl organisches Behältnis rückschließen lässt, sowie ein Eisendepot bestehend aus einer Lanzenspitze, einem Schwert, einem Schildbuckel, einem Hiebmesser und weiteren Eisenobjekten festgestellt werden. Dieses Waffengrab dürfte die Hauptbestattung des Hügels darstellen, um welche die drei anderen Gräber, welche aufgrund der Schmuckbeigaben als Frauengräber angesprochen werden können, konzentrisch angeordnet wurden.
In der Hügelaufschüttung und unter dem Hügel konnten, wie auch bei den vorangegangenen Grabungen, mehrere Keramikfragmente und Steingeräte geborgen werden, welche zusammen mit den vereinzelten Gruben einen Nachweis für eine neolithische oder kupferzeitliche Besiedlung des Höhenrückens erbringen.
Derzeit erscheint Hügel 9 aus dem Gräberfeld von Lang als bisher einziger sicher nachgewiesener latènezeitlicher Grabhügel Südösterreichs, welcher zudem mit vier (!) Bestattungen versehen ist. Eine genaue Abfolge der Errichtung der Gräber kann erst nach erfolgter Restaurierung erarbeitet werden, derzeit scheint Grab 3 anhand der Fundobjekte das früheste Grab darzustellen und das zentrale Grab 4 in der Stufe LT C1 eingebracht worden zu sein.
Die Konfiguration von Grab 3 zeigt aber ein weiteres bemerkenswertes Merkmal, welches für die Erforschung der Eisenzeit im Südostalpenraum von Bedeutung erscheint. Die Anlage des Grabes mit Brandschüttung und einer darin stehenden Urne in Verbindung mit dem vergangenen Behältnis für die Keramik folgen der (spät-) hallstattzeitlichen Tradition[4], wobei dieser Gedanke durch nachgewiesene Keramikformen mit Kegelhalsgefäßen latènezeitlicher Machart untermauert werden kann. Durch dieses Grab ist es nun eventuell möglich, das Weiterlaufen der Hallstattkultur in der Steiermark bis in das ausgehende 4. Jh. v. Chr. zu belegen, wie es bereits für Kärnten[5] vorgeschlagen wurde.
In weiterer Folge bringen die Ergebnisse der Forschungen in Lang auch neues Licht in die Erforschung der Latènezeit der Weststeiermark. Neben dem am Fuß des Pommerkogels[6] in Kleinklein gelegenen Gräberfeld und jenem in Wohlsdorf[7] handelt es sich erst um das dritte mit modernen Methoden ergrabene Gräberfeld dieser Epoche. Für das weitere Verständnis der Latènezeit und der Ausbreitung der keltischen Kultur sind aus diesem wohl wichtige Impulse zu erwarten. Besonders für das Aufkommen der Latènekultur in der Steiermark vermögen die Ergebnisse von Lang neue Erkenntnisse zu erbringen.
Anmerkungen
[1] Andreas Bernhard, Neu erforschte latènezeitliche Gräber in der Gemeinde Lang, KG Schirka, VB Leibnitz. In: Schild von Steier 25 (Graz 2012), 10–22.
[2] Mitja Guštin, Die keltischen Streitwagen vom Typ Orval-Sborjanovo. In: Eugen Sava u. a. (Hgg.), Die Chronologie der Vorrömischen Eisen- und Frühen Kaiserzeit in Mittel- und Südosteuropa: Probleme und Perspektiven (Chişinău-Berlin 2021), 129–142; Martin Schönfelder, Das spätkeltische Wagengrab von Boé (Dép. Lot-et-Garonne) – Studien zu Wagen und Wagengräbern der jüngeren Latènezeit (= Monographien des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 54, Mainz 2002), 387f.
[3] Herzlichen Dank auch an den Verein „ Erlebnis Archäologie“, welcher die Teilnahme der Tourist*innen ermöglichte.
[4] vgl. Gräberfeld Muskervastlwald, Burgstallkogel bei Großklein, Hügel 15: Florian Mauthner/Bernhard Schrettle, KG Burgstall. In: Fundberichte aus Österreich 57, 2018 (2020), 386f.
[5] Paul Gleirscher, Hügelgräber und Herrschaftsbereiche im Ostalpenraum. In: Arheološki vestnik 56 (2005), 106.
[6] Florian Mauthner, Das latènezeitliche Gräberfeld von Kleinklein, Steiermark (= Forum Archaeologiae 94/III/2020); Bernhard Hebert, Keltengräber beim Pommerkogel in Großklein (= HLK-Blog 17/2020).
[7] Attila Botond Szilasi, A Celtic graveyard in the vicinity of Wohlsdorf (Steiermark). New data for the cremation and deposition Progress in the La Tène Ages (LT B2/C1). In: Iron Age chronology in the Carpathian basin. Program and abstracts of the International Colloquium from Târgu Mureş, 8–10 October 2015 (Târgu Mureș 2015), 26f.
Mag. Florian Mauthner, geb. 1986 in Graz, Studium der Archäologie an der Karl-Franzens Universität Graz. Von 2010 bis 2017 Mitarbeiter der Stadtarchäologie St. Pölten, ab 2017 Mitarbeiter bei ASIST. Seit 2019 Doktoratsstudium der Archäologie an der Universität Graz mit einem Dissertationsprojekt zur Latènezeit der westlichen Steiermark.