Rockkragen und Hosenschlitz*: Verdächtigungsstrategien und Gefährlichkeitspräsumtionen in der Kriminalwissenschaft um 1900
Christian Bachhiesl
Mit der modernen Staatlichkeit entwickelten sich auch die moderne Strafjustiz und die Kriminalwissenschaft. So sehr sich diese Institutionen um Objektivität und emotionale Distanz bemühen mochten, das staatliche System des Strafens kam und kommt nicht ohne Verdächtigungen aus, und Verdächtigungen sind stets verbunden mit Gefährlichkeitspräsumtionen. In diesem Beitrag wird anhand von Beispielen aus der frühen Kriminalwissenschaft, vor allem anhand von Aussagen des Grazer Kriminologen Hans Gross und seiner Mitarbeiter, aufgezeigt, wie um 1900 versucht wurde, das System der staatlich legitimierten Verdächtigungsstrategien zu perfektionieren und inwiefern dies mit der Stigmatisierung devianter und benachteiligter Gruppen verbunden war, nicht zuletzt solcher, die ohnehin schon eingeschränkte Verwirklichungsmöglichkeiten vorfanden, wie etwa Frauen oder der sogenannten „Zigeuner“. Dabei entstand das Paradoxon, dass der Staat im Grunde jeden Bürger unter Generalverdacht stellte, von diesen Verdächtigten aber erwartete, dass sie ihm uneingeschränktes Vertrauen entgegenbrachten und seine zunehmenden Regelungsansprüche in immer mehr Lebensbereichen guthießen. Wie aber kann eine Institution, deren Effizienz auf Verdächtigungen beruht, Vertrauen erwecken? Und welche Problemfelder tun sich beim Bedenken dieser Fragen für die Kriminalwissenschaft auf? Die historische Analyse lässt erkennen, dass diese Fragen auch für die heutige Situation bedeutsam sind, auch wenn die Geschichte die Probleme von heute nicht lösen kann. Dafür müssen wir schon selber sorgen.
1. Entree
Seit der frühen Neuzeit entwickelten sich das Strafrecht und die Strafgerichtsbarkeit weg von den öffentlich vollzogenen grausamen Körperstrafen wie Rädern, Enthaupten oder Ertränken hin zu Freiheits- und Geldstrafen, die nicht mehr der Vergeltung, sondern vornehmlich der Prävention, der Besserung und der (Re-)Integration der Delinquenten dienen sollten.[1] Die Strafen wurden milder, ihre Zwecke humaner, und so nimmt es nicht wunder, dass aus aufgeklärter, moderner Sicht hier ein sogenannter Fortschritt, eine Entwicklung hin zum Besseren konstatiert werden kann, einer der vielen mühsamen Schritte im „Prozess der Zivilisation“,[2] dem wir uns, folgt man dem weltanschaulichen Credo der europäischen Regierungen, nach wie vor verpflichtet fühlen. Freilich wurde das Strafen von Rechtsverletzern milder und rationaler; es wurde aber auch viel effizienter und umfassender, denn die modernen Staaten bestimmten und bestimmen das Leben ihrer Bürger in stetig zunehmendem Ausmaß und detaillierter, man könnte auch sagen: gnadenloser, sodass der durch Sitte, Glaube, Brauchtum oder Privatautonomie gestaltbare Lebensbereich immer mehr schrumpft. Zum rechtlichen Herrschaftsinstrumentarium des Staates kommt ab dem 19. Jahrhundert in bis heute stets expandierender Weise die sogenannte Wissenschaft hinzu (und diesem Kollektivsingular sind auch die um 1900 sich institutionalisierenden Formen der Kriminalwissenschaft zuzuordnen), die das ihre dazu beiträgt, das Leben der Menschen fremdzubestimmen. Zum immer intensiver werdenden normativen Zwang gesellt sich sozusagen der epistemologische, sodass man nicht nur von einem Fortschritt im Sinne von Humanisierung und Gewährleistung zunehmender Sicherheit sprechen kann, sondern auch von einem fortschreitenden Freiheitsverlust und einer Verminderung der Freiräume zur Lebensgestaltung. Dies so zu sehen, hat uns Michel Foucault gelehrt, der im surveiller et punir[3] eines der zentralen Elemente des Modernisierungsprozesses festgemacht hat. Foucault und seine Anhänger sehen in der Modernisierung des Strafrechts, der Etablierung wissenschaftlich legitimierter Disziplinierungsinstanzen wie der Psychiatrie und im Ausbau der Staatlichkeit generell keine Erfolgs-, sondern eine Verlustgeschichte realisiert: „Die Effizienz der Polizei steigerte sich dramatisch, die Zahl der Gewaltverbrechen ging zurück, und der Staat begann, das Verhalten seiner Bürger mit einer früher nie gekannten Gründlichkeit zu regulieren und zu kontrollieren. Der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz reduzierte jeden Menschen auf einen Status, wo er Objekt der neuen, klassifizierenden Wissenschaften, wie etwa der Psychiatrie oder der Kriminologie, werden konnte.“[4] Freilich muss man die ‚Machtergreifung‘ der modernen Staatlichkeit nicht so negativ sehen, wie Foucault dies tut; in die Diskussion einzusteigen, ob die Modernisierung nun vorwiegend etwas Gutes sei oder aber die Welt zum Schlechteren gewandelt habe,[5] wollen wir uns hier aber sparen, zumal man da leicht in Ridikülitäten abgleitet, wie sie sich etwa in dem Film „Monty Python's Life of Brian“ manifestieren, wenn auf die Frage des Widerstandskämpfers Reg: „Also gut. Mal abgesehen von sanitären Einrichtungen, der Medizin, dem Schulwesen, Wein, der öffentlichen Ordnung, der Bewässerung, Straßen, der Wasseraufbereitung und der allgemeinen Krankenkassen, was, frage ich euch, haben die Römer JE für uns getan?“ die Antwort erschallt: „Den Frieden gebracht“, was wiederum die Entgegnung hervorruft: „Aach! Frieden! Halt die Klappe.“[6] Wenn man sich die Art und Weise, wie Rom seinen Frieden über die Welt stülpte, genauer anschaut, mag diese Entgegnung gar nicht so unangebracht erscheinen, wie sie es prima vista wohl tut.[7]
Was wir aber im Foucault'schen Sinne festhalten wollen, ist der Umstand, dass die zunehmende Effektivität der modernen Strafrechtspflege nicht allein auf einer Rationalisierung und Verwissenschaftlichung beruht, sondern auf einem für die Funktion des Sicherheit generierenden Apparats entscheidenden Dispositiv: der Verdächtigung. Eine die gesamte Gemeinschaft erfassende Durchdringung des Lebens mit Gesetzestreue und Sicherheit ist auf eine Grundhaltung des stets wachen Verdachts angewiesen. Denn was evident ist, muss ja nicht erst ermittelt, ans Tageslicht gebracht und der Gerechtigkeit zugeführt werden. Das Strafrecht und die ihm zuarbeitende Kriminalwissenschaft sind Maschinerien, deren Brennstoff die Verdächtigung ist. Sie bedienen sich, wie Richard Evans, Foucault zusammenfassend, sagt, „einer neuen, diffusen Ökonomie der Macht und des Wissens, bei der das Gefängnis selbst zum Modell für die Gesellschaft insgesamt wurde und jeder jeden überwachte: Alle beobachteten und disziplinierten einander und damit letzten Endes sich selbst.“[8]
Wie die Verdächtigungsstrategien, die stets Hand in Hand gingen mit Gefährlichkeitspräsumtionen, in der Kriminalwissenschaft um 1900 nun konkret aussahen, wollen wir im Folgenden näher betrachten. Fokussiert wird dabei auf den österreichischen Kriminologen Hans Gross, der als eine Gründerfigur dieses Wissensfeldes gelten kann,[9] und auf die von ihm begründete „enzyklopädische Kriminologie“.[10]
2. Verdächtigungssucht
Verdächtig ist der Mensch, verdächtig! Und gefährlich allemal. Daher muss man ihn auch ganz scharf ins Auge fassen, nichts darf unbeachtet bleiben, nichts darf unverdächtigt bleiben, wenn der Kriminalist[11] sich an die Arbeit macht. Der Grazer Hans Gross, der nach etlichen Jahren als Untersuchungsrichter, Staatsanwalt und Strafrichter nunmehr am Beginn seiner universitären Laufbahn als Strafrechtler und Kriminologe stand, fasste seine diesbezüglichen Erkenntnisse in dem 1898 erschienenen Werk „Criminalpsychologie“[12] zusammen. Will man die Wahrheit herausfinden, so dürfe man sich nicht auf die Worte der Verdächtigten verlassen; man achte vielmehr auf alle körperlichen Ausdrucksformen, auf Gestik, Mimik, Gang, Physiognomik, Gestalt und Haltung der Hände, und auch auf die Art der Kleidung, denn „nicht bloß am Schuh, sondern an jedem Stück der Kleidung erkennt man den Charakter der Frau, aber gerade so auch den des Mannes.“[13] Freilich gelte es, hierbei genau und sorgfältig vorzugehen, denn der notwendige grundsätzliche Verdacht soll ja nicht zu vorschnellen Fehlschlüssen führen. Erst ein ordentliches Maß an Berufserfahrung könne das Sensorium des Kriminalisten ausreichend schärfen – dann aber könne er aus den Fingerbewegungen einer Frau deren Zorn oder Wollust herauslesen[14] und aus dem in einem Raum haftenden Geruch auf die frühere Anwesenheit eines stets diebischen, aber verlässlich feigen sogenannten „Zigeuners“ schließen.[15] Diese Schulung der Aufmerksamkeit für alle Hinweise und Details, die aus dem latent stets vorhandenen und schnell wachgerüttelten Verdacht des Kriminalisten eine beweisbare Gewissheit machen können, nannte Peter Becker den „praktischen Blick“,[16] der auch die Form eines „standardized gaze“[17] annehmen konnte. Man könnte auch von einem investigativen Blick sprechen, von der unausgesetzten Suche nach Spuren, die den Verdacht zu erhärten in der Lage sind.[18] Unmengen von Beispielen könnte man hier anführen, um zu illustrieren, auf welch ausgeklügelte Weise Hans Gross (und mit ihm all die anderen Großmeister der frühen Kriminalwissenschaft, Rudolf Archibald Reiss etwa, Edmond Locard oder auch Ernst Gennat) die Kultivierung des Verdachts vorangetrieben und verfeinert hat. Dafür fehlt hier jedoch der Platz, und das ist ja auch an anderen Stellen schon ausführlich geschehen.[19] Wir wollen uns nur ein kurzes Beispiel ansehen, dieses dafür aber gründlich. In seiner „Encyclopädie der Kriminalistik“, einer lexikalischen Sammlung von bedeutsamen Stichwörtern für praktische Kriminalisten, die in der von Gross 1898 begründeten Zeitschrift „Archiv für Kriminal-Anthropologie und Kriminalistik“ publiziert wurde, findet sich auch jenes Lemma, das den Titel für diesen Beitrag bildet:
„Rockkragen und Hosenschlitz ist sehr oft der Verwahrungsort für wichtige Beweisstücke, namentlich bei Landstreichern und ähnlichen Leuten. Hier ist der Stoff an und für sich dick, weil mehrfach zusammengelegt, der Hosenschlitz ist auch zu ekelerregend, um da herumzusuchen, und so werden hier am häufigsten gefälschte Papiere, falsche Siegel, falsches Geld, Verständigungsmittel u. s. w. eingenäht (falsche Siegel haben oft eigene Oesen zu diesem Zweck). An diesen Stellen (dann Hutfutter, Ueberschlag zum untersten Theile der Hose, Stiefelfutter und zwischen den Schuhsohlen) muss unbedingt bei jedem Arrestanten, dem man nur entfernt solchen Besitz zutrauen kann, gesucht werden, namentlich bei allen Landstreichern, die sehr oft die allergefährlichsten Leute sind.“[20]
Hier findet sich die kriminalistische Verdächtigungssucht in geballtem Maße manifestiert. Dabei ist es wichtig, nicht zu übersehen, dass Gross nicht mit kruden Unterstellungen oder abstrusen Vorurteilen arbeitet – so einfach ist die Sache nicht, und das übersehen politisch motivierte Historiker und Kritiker der Kriminalwissenschaft bisweilen. Denn auch wenn zumeist politische und weltanschauliche Motive hinter dem Versuch der frühen Kriminalwissenschaft, eine rigide normative Ordnung möglichst lückenlos über die Gesellschaft zu stülpen, erkennbar sind,[21] so liegen Äußerungen wie der eben zitierten eben doch Empirie und im Tatsächlichen sich auswirkende Devianz zugrunde. Der Generalverdacht, den Hans Gross hier gegen „Landstreicher und ähnliche Leute“ ausspricht, ist, was ihre konkreten Verhaltensweisen wie etwa die Praktiken, Gegenstände für unerlaubte Aktivitäten in ihrer Kleidung zu verbergen, eben nicht aus der Luft gegriffen, sondern beruht auf kriminalistischer Berufserfahrung – der sattelfeste Staatsdiener weiß eben, worauf er achten muss, wenn er es mit Feinden der Gesellschaft zu tun hat. Genau hier aber können wir den Punkt festmachen, an dem der begrenzte, auf bestimmte Delikte gerichtete Verdacht umschlägt in eine grundsätzliche Verdächtigung: Deviante und Kriminelle werden hier nicht nur als Menschen betrachtet, die ein staatliches Ge- oder Verbot missachten, sondern als asoziale, ja antisoziale Subjekte, die nicht nur einen für sich betrachtet eher belanglosen Verstoß gegen die Strafgesetze begehen, wie eben Landstreicherei. Es handle sich hier nicht um zwar gesetzesbrecherische, aber im Grunde gesunde Kriminelle, die mit den Mitteln der Strafjustiz ja grundsätzlich in den Griff zu bekommen sind, wie etwa „raufende Bauernburschen“, „energische Rächer ihrer Ehre“ oder „manche Totschläger“, sondern sogenannte Degenerierte.[22] Diese begingen zwar kaum Verbrechen, sondern „in der Regel nur Übertretungen“, seien aber aufgrund ihrer Degeneration „für die staatliche Existenz im höchsten Grade gefährliche“ Existenzen. Und nun wird klar, warum Gross im obigen Zitat die Landstreicher als „sehr oft die allergefährlichsten Leute“ bezeichnet, denn diese zählten nun einmal, wie jeder Mensch, „der nur in äußerster Not arbeitet“, zu den Degenerierten, und gegen diese vorzugehen fehlten dem Staat die nötigen Mittel: „Wir dürfen den Landfahrer, Professionsspieler, sexuell Perversen, Überträgen usw. schon nicht lebenslang einsperren, obwohl sie für die Gesellschaft schädlicher sind, als manch einer, der ein einziges Mal in seinem Leben und gewiß nie wieder ein sogenannt schweres Verbrechen begangen hat.“[23] Gross schlug für „einfache Degenerierte“ (also alle, die nicht unter psychopathischen Formen der Degeneration leiden), wie sie eben von Landstreichern verkörpert würden, die Entfernung aus der Gesellschaft, also die Deportation vor, denn für die Degenerierten sei diese „das einzige Heilmittel, sie ist, für die Gesellschaft der einzig denkbare Schutz.“[24] Der Verdacht gegen die Landstreicher ist also nicht bloß gegen Siegel- und Urkundenfälschung gerichtet, gegen Geldfälschung und gegen die Übermittlung von Kassibern, Gaunerzinken und anderen verbotenen Formen der Kommunikation, diese Deliktformen seien nämlich nur die Symptome. Der Verdacht richtet sich gegen die Lebensform der Landstreicher und anderer Devianter und Randgruppen, denn diese seien wie eine Krankheit, die die Gesellschaft als Ganzes befalle und zersetze (hier klingt schon leise die biologistisch-organizistische Lesart des Verbrechens als Krankheit am Volkskörper an, wie sie dann in nationalsozialistischer Zeit bestimmend werden sollte),[25] und das mache sie so ungemein gefährlich. Der Verdacht richtet sich gegen alles, was sich nicht der Definitions- und Deutungsmacht des Staates und seiner Organe fügt. Aber das ist wohl nur das konsequente Resultat einer grundsätzlich auf Verdächtigung beruhenden Staatsordnung: Der Verdacht fängt im Kleinen an und richtet sich auf immer Größeres, bis zuletzt die kosmische Ordnung selbst durch das abweichende Verhalten aus dem Gleichgewicht gerät. Damit wäre man dann trotz aller modernen Wissenschaftlichkeit und ohne es zu bemerken eigentlich wieder recht nahe an jene Auffassung herangerückt, die die Strafrechtspflege der frühen Neuzeit motivierte: Das Verbrechen und alles Deviante schädige nicht nur die Opfer und deren Angehörige, sondern es beleidige die göttliche Ordnung – nur dass man anstelle Gottes hier den Staat setzen müsste. Sollte Latours griffiger Ausspruch doch etwas Wahres an sich haben: „Wir sind nie modern gewesen“?[26]
Der investigative Blick der frühen Kriminalwissenschaft richtete sich also weit über den je einzelnen, konkreten Verdacht hinaus, er fasste die Verdächtigkeit alles nicht staatlich Normierten und Zertifizierten ins Auge und schrieb diesem eine grundstürzende Gefährlichkeit zu. Und diese Verdächtigungsmanie erfasste nicht allein Kriminalisten und andere Diener des Staates, sondern alle gehorsamen Staatsbürger, die mithelfen wollten, die staatliche Ordnung nicht ins Schwanken geraten zu lassen. Nur ein kleines Beispiel möge veranschaulichen, wie normativ bestimmtes Denken in Verbindung mit latenter Verdächtigungsbereitschaft die Verhaltens-, ja Wahrnehmungsweisen bestimmen kann, bis hin zur Autosuggestion:[27] Der Jurist Albert Hellwig, ein eifriger Beiträger im „Archiv für Kriminal-Anthropologie und Kriminalistik“, der sich auch als Fachmann für kriminellen Aberglauben profilierte, geriet, als er in Berlin einen Fahrstuhl benutzte, in Verdacht, verbotener Weise zu rauchen. Der Fahrstuhlführer – derlei Berufe gab es damals, heute gibt es bestenfalls sprechende Elevatoren – wies ihn darauf hin, dass bereits der ganze Fahrstuhl nach Zigarettenrauch rieche, er solle also die Zigarette austöten. Als Hellwig wahrheitsgemäß versicherte, gar nicht zu rauchen, stritt der Fahrstuhlführer noch eine Weile mit ihm herum, und erst als ihm der Jurist einen „nach Zigarettenart zusammengerollten Zettel“ unter die Nase hielt, „machte er ein sehr dummes Gesicht und entschuldigte sich“. Für Hellwig war die Sache schnell erklärt: Der Fahrstuhlführer hatte den halb in der Hand verborgenen Zettel für eine halb versteckte Zigarette angesehen, und diese optische Täuschung habe eine „Geruchsillusion“ zur Folge gehabt. Es sei für Kriminalisten lehrreich, „die Entstehung einer Sinnestäuschung zu beachten“, so Hellwig, daher berichtete er diese an sich recht belanglose Geschichte dem fachkundigen Publikum. Man kann diese Episode aber auch als Beispiel für die Wirkkraft obrigkeitlich angeordneter Verdächtigungssucht deuten, die den wenigen noch verbliebenen aufrechten Rauchern wohl Unbehagen verschaffen dürfte. Denn dem Rauchen hat man mittlerweile weitläufig den Garaus bereitet, zum Nutzen der Volksgesundheit. So wie in jüngster Zeit die zwischenmenschliche Nähe unter Verdacht geraten ist, ebenfalls aus Gesundheitsgründen, diesmal mit viraler Konnotation. Denn der Staat will ja, dass seine Bürger gesund sind. Und er will, dass sie ihm vertrauen.
3. Vertrauenssehnsucht
Notwendiger Weise erwartet der Staat, dass ihm seine Bürger vertrauen, denn er hat die wesentlichen Elemente gesellschaftlicher Ordnungsschaffung monopolisiert, sodass er allein diese Ordnung gestalten darf. Dies gilt zuvörderst für die öffentliche Sicherheit, die Strafrechtspflege und alles, was in diesem Zusammenhang mit Gewaltanwendung zu tun hat. Es gibt schon lange keine legitimen Spielräume mehr für Familien- oder Sippengerichtsbarkeit, Geheimgerichte, Lynchjustiz und Fehdeführung. Das staatliche Gewaltmonopol schafft stabilen Frieden und Sicherheit, Rechtssicherheit zumal, und nur unter diesen Bedingungen kann ein modernes Gemeinwesen gedeihen. Die Freiheiten und Gestaltungsräume, die dabei für die Menschen verloren gehen, wiegen im Vergleich zu den Vorteilen, die sie aus der Abtretung großer Teile ihrer Handlungssouveränität ziehen, gering. (Es gibt allerdings, vorwiegend in den USA, Menschen, die behaupten, ein freier Bürger sei nur dann wirklich frei, wenn er bewaffnet sein darf, aber wir sind hier ja nicht im Wilden Westen.) Schon Cesare Beccaria, eine der Ikonen der aufgeklärten Strafrechtsreform des 18. Jahrhunderts, stellte fest, dass die „Übel, die aus der Aufklärung erwachsen“, in „umgekehrtem Verhältnis zu deren Verbreitung“ stehen, „die Vorteile aber in geradem.“. So gesehen dürfte eigentlich niemand Einwände gegen die Machtmonopole des Staates haben: „Deshalb gibt es keinen aufgeklärten Menschen, der nicht öffentliche, klare und nützliche Verträge zur Erhaltung der allgemeinen Sicherheit liebt, indem er den geringen, für ihn unnötigen Teil der von ihm aufgeopferten Freiheit mit der Summe der von allen übrigen Menschen aufgeopferten Freiheit vergleicht, die sich ohne bestehende Gesetze gegen ihn verschwören könnten. Wer vernünftigen Sinns einen Blick auf eine Sammlung gut abgefaßter Gesetze wirft und hierbei findet, daß er nur die verderbliche Freiheit, den anderen zu schaden verloren hat, wird sich gedrungen fühlen, den Thron und dessen Inhaber zu segnen.“[28] Der Thron und dessen Inhaber, das nennt man heute Staat, und zur Zeit des Hans Gross nannte man das Staatsgewalt, nur schien schon um 1900 vonseiten gewisser Bevölkerungsteile (eben der Devianten) und scheint auch heutzutage bei immer größeren Teilen der Bevölkerung immer weniger Bereitschaft dazu bestehen, diesen zu segnen oder auch einfach nur vorbehaltlos gutzuheißen. Denn um das tun zu können, müsste man dem Staat vertrauen. Wie aber kann man einer Institution vertrauen, die eben ihren ganzen Ehrgeiz darein legt, den eigenen Bürgern möglichst umfassend zu misstrauen und sie zu verdächtigen? Natürlich, sagt der Staat, verdächtigt er nur diejenigen, die Verdacht hervorrufen. Aber stimmt das auch? Wurde und wird das auch immer so wahrgenommen? Wir haben oben versucht aufzuzeigen, dass der Generalverdacht ein konstitutives Merkmal bei der Etablierung der modernen Strafrechtspflege und bei der Durchsetzung einer effizienten Sicherheitspolitik war (und ist). Und dass der Staat seinen Bürgern zunehmend misstraut, sieht man auch außerhalb des Strafrechts in mancherlei Bereichen, man denke nur an verpflichtende Registrierkassen oder an die staatlich geförderte, ja erzwungene Digitalisierung (mit all ihren wunderbaren Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten), die mittlerweile Erlösungsphantasien gleichsam religiösen Charakters hervorruft, weshalb auch der ungebremste Digitalisierungsdrang wohl recht treffend als „Anbetung“ und „Superideologie“ bezeichnet wurde.[29] In der Tat dürfte die Digitalisierung zu einer intellektuellen und moralischen Verkümmerung des Menschen führen, sodass sie wohl eher den Beginn eines „neuen dunklen Zeitalters“[30] einläutet als den Aufbruch in das all- und auch staatlicherseits beschworene binäre Nirwana – der Mensch mutiert zur bloßen App seiner passend so bezeichneten Endgeräte. Wer nicht mitmachen will bei der Digitalisierung, kann kaum mehr teilnehmen am öffentlichen Leben, und verdächtig ist er allemal. (So hat denn auch einmal ein Wiener Kriminalpolizist den Verfasser vorliegender Zeilen auf die Mitteilung hin, er besitze kein Mobiltelefon, als sehr verdächtig bezeichnet, wohl nur halb im Scherz.) Und was wir an Verdächtigungen in der sich hinziehenden sogenannten Corona-Krise erleben, verschlägt wohl sehr vielen den Atem: Die Tracking-Experten versuchen verzweifelt, Gefährder und Superspreader aufzuspüren, die Regierung sucht verzweifelt nach einer Vereinbarkeit von umfassender Überwachung und nach wie vor zu beachtenden Bürger- und Menschenrechten, der Staat verdächtigt die Corona-Leugner, diese wiederum den Staat, die Verschwörungstheoretiker verdächtigen sowieso alles, was ihren Theorien oder besser Theoremen widerspricht, und die ganz normalen Bürger verdächtigen einander gegenseitig. Bei so vielen Verdächtigungen und bei all den zum Teil einschneidenden Maßnahmen und distanzierenden Verhaltensweisen, die sie die Virusbekämpfung mit sich bringt, ist es verständlich, dass der deutsche Kriminologe Michael Bock anregt, über eine „Gesellschaft im offenen Vollzug“[31] nachzudenken.
Aber davon wollen wir nicht weiter handeln, wir wollen den Blick wieder zurück lenken auf die Zeit um 1900. Denn auch damals wollte der Staat seinen Bürgern Gutes tun, und daher Ordnung und Sicherheit schaffen. Dafür forderte er von seinen Bürgern Vertrauen ein, und die Bürger waren, bis auf ein paar anarchische Wirrköpfe, auch grundsätzlich bereit, dem Staat ihr Vertrauen zu schenken. Freilich ist dies schon einigermaßen paradox, dass der alle verdächtigende Staat Vertrauen entgegengebracht haben will, aber sei's drum. Der Staat verlangte von seinen Bürgern, dass sie ihm vertrauten, und sie taten das zumeist auch, obwohl stets der Verdacht bestand, dass manche das nicht taten. Der Staat also vertraute seinen Bürgern nicht. Er vertraute lange Zeit nicht einmal seinen Organen, die alle Übrigen zu verdächtigen hatten. So gab es in Österreich bis in die 1870er Jahre hinein gesetzliche Beweisregeln, die für die Richter bindend waren und auch die Verdachtsgründe festlegten, die die Richter zu beachten hatten (§§ 138–140 und 278–281 der StPO von 1853), erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts kam die uns vertraute freie Beweiswürdigung zum Durchbruch, sodass die Richter ihre Verdächtigungen und Überzeugungen betreffend Schuld und Unschuld selbst gestalten durften.[32] Und als einmal die Beweisgründe frei eruiert werden durften, benötigte man die Wissenschaft, eben die Kriminalwissenschaft, die sich methodisch am besten an den exakten Naturwissenschaften orientierte, um einen möglichst hohen Grad an Gewissheit (so die Gewissheit überhaupt graduierbar ist) zu erlangen. Aber herrje, die Kriminalwissenschafter ihrerseits vertrauten bisweilen ihren eigenen Verdächtigungen nicht und warnten davor, das Verbrechen gar zu bereitwillig dingfest machen zu wollen. So war es, wie Paul Näcke, ein eifriger Mitarbeiter in Hans Grossens Zeitschrift „Archiv für Kriminal-Anthropologie und Kriminalistik“, mitteilt, zum Beispiel zwar löblich, wenn man als Kriminalist Hinweise auf sexuelle Devianz erhielt, man musste aber darauf achten, dass diese Hinweise nicht einen gar „hohen moralischen Brustton anschlagen“, denn dann bestand der Verdacht, dass es sich bei den Denunzianten, wenn sie denn weiblich waren, um „Onanistinnen“ handelte, was die Information entwertete, denn: „Moralisch durch vieles Onanieren heruntergeführt, ist es ihnen ein Labsal, andere glückliche Menschen zu verhetzen und zu verleumden, da sie sich selbst unglücklich fühlen.“[33] Sind Onanisten wirklich unglücklicher und daher verleumderischer als andere Menschen? Und warum die Beschränkung des Verdachts auf weibliche Onanisten? Wie auch immer, wird der Verdacht von den einen abgelenkt, fällt er eben auf andere, so ist seine Natur. Immerhin kann die Verdächtigung der eigenen Verdächtigung vielleicht einen gewissen Schutz vor voreiliger Verurteilung bewirken.
4. Coda
Was aber, wenn nun die Bürger dem Staat entgegen seiner Erwartung kein Vertrauen entgegenbringen, wenn sie ihn ihrerseits verdächtigen? Erzwingt er dann das Vertrauen, wenn nötig mit strafrechtlichen Mitteln? Sind alle Zweifler am Staat gleich Staatsverweigerer? Oder begnügt der Staat sich damit, dass ihm Gehorsam entgegengebracht wird, Vertrauen hin oder her? Kann so eine Gesellschaft, so ein Staat, dessen Bürger sich nicht mit ihm identifizieren, auf Dauer funktionieren? Da kommt einem das Schlagwort vom sogenannten spätantiken Zwangsstaat in den Sinn, der angeblich seine Bürger immer mehr gängelte und unterdrückte, sodass sie letztendlich froh gewesen seien, als er unterging. Dabei sei aber „der Despotismus der römischen Kaiser überhaupt nicht mit der peinlichen Aufsicht über alle Kleinigkeiten, mit dem Hineinregieren in alles und jedes, namentlich nicht mit dem Diktieren und Kontrollieren geistiger Richtungen behaftet [gewesen], die dem modernen Staat ankleben“,[34] schrieb schon im 19. Jahrhundert der Basler Historiker Jacob Burckhardt. Der moderne Staat sei eben so eine Art Zwangsmaschinerie, so sagen viele. Dabei sind die liberalen Demokratien doch so stolz darauf, so viel Freiheit wie noch nie verwirklicht zu haben, eben mit den Mitteln des Staates, darunter dem Strafrecht und der Kriminalwissenschaft. Das aber sei gerade der Grund für das Scheitern des Liberalismus, so argumentiert der Politikwissenschafter Patrick J. Deneen: Der Staat verordnet Freiheiten, die er dann mit Zwang durchsetzen muss. Er zerstört alle vor- und nichtstaatlichen Regelungsmechanismen, nur um dann für alles und jedes selbst sorgen und das Funktionieren der neu erfundenen Welt garantieren zu müssen.[35] Und doch brauchen wir den Staat, denn sonst breche Chaos aus und die Menschen würden einander ungehemmt an den Kragen gehen – so lautet eine oft zu hörende These, die einiges für sich hat, von manchen aber als bloße „Chaoshypothese“ abgetan wird, die unbegründet und nur ein Instrument dafür sei, „das bröckelnde Mauerwerk des westlichen Legalismus zu stützen“.[36] Ist ein gedeihliches Leben ohne Staat wirklich denkbar? Und selbst wenn man sich dazu entschlösse, irgendwo anders bleibt man wohl beim Staat, und dessen organisatorischer Übermacht ist ein staatenloses Idyll dann schutzlos ausgeliefert. Oder werden die Staaten allesamt allmählich so verschwinden, wie sie auch ins Leben getreten sind? Und was soll danach kommen? Lauter Fragen, die die Kriminalwissenschaft – gottlob! – nicht beantworten muss. Wie aber Kriminalität vermieden und eingehegt werden kann, das ist von ihr sehr wohl zu bedenken. Und auch die Frage, ob allumfassende Verdächtigung der richtige Weg zu diesem Ziel hin ist, und die Frage, wie das für ein glückliches Zusammenleben notwendige Vertrauen zu fördern ist. Denn allein mit dem Verdacht gegen jeden Rockkragen und Hosenschlitz wird kein Staat zu machen sein.
Anmerkungen
* Dieser Text ist aus dem Vortrag des Verfassers beim Wissenschaftlichen Kollegium der HLK am 1. Oktober 2021 hervorgegangen. Er wurde erstmals abgedruckt in: SIAK Journal. Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis 18/3 (2021), 80–89, und online abrufbar: URL: https://www.bmi.gv.at/104/Wissenschaft_und_Forschung/SIAK-Journal/SIAK-Journal-Ausgaben/Jahrgang_2021/files/Bachhiesl_3_2021.pdf (15.03.2022).
[1] Die Literatur zur Genese der modernen Strafgerichtsbarkeit, des Strafrechts und der Kriminalwissenschaft ist Legion; der Anmerkungsapparat soll hier nicht überfrachtet werden, sodass an dieser Stelle nur ein Werk genannt sei, das die großen Entwicklungszüge gut herausarbeitet: Richard J. Evans, Rituale der Vergeltung. Die Todesstrafe in der deutschen Geschichte 1532–1987 (Darmstadt 2020) [in Folge: Evans, Rituale der Vergeltung].
[2] Vgl. Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen. I. Wandlungen des Verhaltens in den weltlichen Oberschichten des Abendlandes. II. Wandlungen der Gesellschaft. Entwurf zu einer Theorie der Zivilisation (Bern 1969).
[3] Vgl. Michel Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses (Frankfurt am Main 1977).
[4] Evans, Rituale der Vergeltung 39.
[5] Hintergrundüberlegungen zur Genese der Moderne sowie Gedanken zu Licht- und Schattenseiten der Modernisierung finden sich etwa in: Charles Taylor, Ein säkulares Zeitalter (Frankfurt am Main 2009).
[6] Diese Dialogelemente aus „Das Leben des Brian“ wurden zitiert nach: URL: www.members.teleweb.at/wo/das_leben_des_brian.htm (zuletzt eingesehen und ausgedruckt am 17.01.2003). Diese Internetseite ist nicht mehr aktiv, der zitierte Text wurde am 17.01.2003 ausgedruckt. Der englische Text ist nachzulesen unter http://montypython.50webs.com/Life_of_Brian.htm (02.03.2022).
[7] Vgl. Simon James, Rom und das Schwert. Wie Krieger und Waffen die römische Geschichte prägten (Darmstadt 2013). Eine auf das 3. Jahrhundert v. Chr. fokussierte Analyse bietet Gunnar Manz, Roms Aufstieg zur Weltmacht. Das Zeitalter der Punischen Kriege. Mit einem Vorwort von Hans-Jürgen Wünschel (Wiesbaden 2017). Zur Debatte um den römischen Imperialismus vgl. Michael Sommer, Römische Geschichte. Erster Band: Rom und die antike Welt bis zum Ende der Republik (Stuttgart 2013), 296–302. Zur Situation in Judäa zu der Zeit, in der „Das Leben des Brian“ spielt, vgl. Werner Dahlheim, Die Welt zur Zeit Jesu (München 42015).
[8] Evans, Rituale der Vergeltung 39.
[9] Vgl. Christian Bachhiesl/Gernot Kocher u. a. (Hgg.), Hans Gross – ein ‚Vater‘ der Kriminalwissenschaft. Zur 100. Wiederkehr seines Todestages (= Austria: Forschung und Wissenschaft interdisziplinär 12, Wien u. a. 2015); Christian Bachhiesl, Zwischen Indizienparadigma und Pseudowissenschaft. Wissenschaftshistorische Überlegungen zum epistemischen Status kriminalwissenschaftlicher Forschung (= Austria: Forschung und Wissenschaft interdisziplinär 8, Wien–Berlin 2012) [in Folge: Bachhiesl, Zwischen Indizienparadigma und Pseudowissenschaft]
[10] Hans Göppinger, Kriminologie (München 41980), 1.
[11] Unter Kriminalistik wird hier die praktische Verbrechensaufklärung verstanden, unter Kriminologie die theoretischen Erklärungsversuche sowie die klassifizierende Phänomenologie von Verbrechen und Verbrechern. Als Überbegriff dient der Terminus Kriminalwissenschaft. Die Terminologie war und ist hier uneinheitlich, auch Hans Gross änderte seinen Begriffsgebrauch des Öfteren. Vgl. hierzu Bachhiesl, Zwischen Indizienparadigma und Pseudowissenschaft 24–28.
[12] Hans Gross, Criminalpsychologie (Graz 1898) [in Folge: Gross, Criminalpsychologie].
[13] Gross, Criminalpsychologie 101.
[14] Vgl. Gross, Criminalpsychologie 129.
[15] Vgl. Hans Gross, Handbuch für Untersuchungsrichter, Polizeibeamte, Gendarmen u.s.w. (Graz 21894), 334.
[16] Vgl. Peter Becker, Zwischen Tradition und Neubeginn: Hans Gross und die Kriminologie und Kriminalistik der Jahrhundertwende. In: Albrecht Götz von Olenhusen/Gottfried Heuer (Hgg.), Die Gesetze des Vaters. 4. Internationaler Otto Gross Kongress, Graz, 24.–26. Oktober 2003 (Marburg an der Lahn 2005), 290–309, 293, 299.
[17] Vgl. Peter Becker, The Standardized Gaze: The Standardization of the Search Warrant in Nineteenth-Century Germany. In: Jane Caplan/John Torpey (Hgg.), Documenting Individual Identity. The Development of State Practices in the Modern World (Princeton–Oxford 2001), 139–163.
[18] Vgl. Gernot Grube, ‚abfährten‘ – ‚arbeiten‘. Investigative Erkenntnistheorie. In: Sibylle Krämer u. a. (Hgg.), Spur. Spurenlesen als Orientierungstechnik und Wissenskunst (Frankfurt am Main 2007), 222–253.
[19] Vgl. etwa Christian Bachhiesl, Hans Gross findet die Wahrheit. Zur kriminalwissenschaftlichen Wahrheitsgewinnung um 1900. In: Christian Bachhiesl u. a. (Hgg.), Psychoanalyse & Kriminologie. Hans & Otto Gross – Libido und Macht. 8. Internationaler Otto Gross Kongress, Graz, 14.–16. Oktober 2011 (Marburg an der Lahn 2015), 147–174; Christian Bachhiesl, Über die Verwandlung von Werten in Wissen. Wahrheitsstreben und Wertungen in der Kriminalwissenschaft um 1900. In: Hans-Edwin Friedrich/Claus-Michael Ort (Hgg.), Recht und Moral. Zur gesellschaftlichen Selbstverständigung über „Verbrechen“ vom 17. bis zum 21. Jahrhundert (= Schriften zur Literaturwissenschaft 39, Berlin 2015), 285–299.
[20] Hans Gross, Encyclopädie der Kriminalistik. In: Archiv für Kriminal-Anthropologie und Kriminalistik 6 (1901), 1–96, hier: 66, s. u. Rockkragen und Hosenschlitz.
[21] Vgl. Gal Hertz/Christian Bachhiesl, Hans Gross und die Normativität der kriminalistischen Wahrheitsfindung. In: myops 35 (2019), 34–43.
[22] Zum Konzept der Degeneration vgl. Bachhiesl, Zwischen Indizienparadigma und Pseudowissenschaft 114–137.
[23] Hans Gross, Degeneration und Deportation. In: Hans Gross, Gesammelte Kriminalistische Aufsätze, Bd. 2 (Leipzig 1907), 70–77, hier: 71.
[24] Hans Gross, Die Degeneration und das Strafrecht. In: Hans Gross, Gesammelte Kriminalistische Aufsätze, Bd. 2 (Leipzig 1907), 1–11, hier: 10.
[25] Vgl. Christian Bachhiesl, Das Verbrechen als Krankheit. Zur Pathologisierung eines strafrechtlichen Begriffs. In: Carlos Watzka/Marcel Chahrour (Hgg.), Virus. Beiträge zur Sozialgeschichte der Medizin, Bd. 7 (Wien 2008), 11–40.
[26] Vgl. Bruno Latour, Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie (Frankfurt am Main 2008).
[27] Albert Hellwig, Kriminalistische Abhandlungen. In: Archiv für Kriminal-Anthropologie und Kriminalistik 50 (1912), 1–23.
[28] Cesare Beccaria, Über Verbrechen und Strafen. Übersetzt, mit biographischer Einleitung und Anmerkungen versehen von Karl Esselborn (Leipzig 1905), 164f.
[29] Vgl. Marie-Luise Wolff, Die Anbetung. Über eine Superideologie namens Digitalisierung (Frankfurt am Main 2020).
[30] Vgl. James Bridle, New Dark Age. Der Sieg der Technologie und das Ende der Zukunft (München 22020).
[31] Vgl. Michael Bock, Die Gesellschaft im offenen Vollzug. Kriminologische Überlegungen zum Lockdown. In: Archiv für Kriminologie 246 (2020), 194–206.
[32] Die gesetzlichen Beweisregeln und Verdachtsgründe und ihre Gestaltungskraft für Strafverfahren werden anschaulich dargestellt in: Hans Gross, Der Raubmord an Johann Saubart. In: Archiv für Kriminal-Anthropologie und Kriminalistik 5 (1900), 55–101.
[33] Paul Näcke, Kleinere Mitteilungen. 4. Sexuelle Verdächtigungen durch Onanistinnen. In: Archiv für Kriminal-Anthropologie und Kriminalistik 39 (1910), 181–185, hier: 183.
[34] Jacob Burckhardt, Das Geschichtswerk, Bd. 1: Die Zeit Constantins des Großen (Frankfurt am Main 2007), 55. Zum späten Römischen Reich vgl. Alexander Demandt, Geschichte der Spätantike. Das Römische Reich von Diocletian bis Justinian 284–565 n. Chr. (München 1998).
[35] Vgl. Patrick J. Deneen, Warum der Liberalismus gescheitert ist (Salzburg–Wien 2019).
[36] Laurent de Sutter, Nach dem Gesetz (Berlin 2020), 29f.
Priv.-Doz. MMag. DDr. Christian Bachhiesl, Studien der Rechtswissenschaften, Alten Geschichte und Altertumskunde sowie Geschichte; Kustos und Kurator des Hans Gross Kriminalmuseums und Stellvertretender Leiter der Universitätsmuseen der Universität Graz. Mitglied der Historischen Landeskommission für Steiermark.
Forschungsschwerpunkte: Wissenschaftsgeschichte, Kriminologiegeschichte, Geschichte des Reisens; Untersuchungszeiträume der Forschungsgegenstände v. a. Antike, 18., 19. und 20. Jahrhundert.