Mit Siedlungsarchäologie durch die Zeiten – Zu den archäologischen Grabungen in Deutschlandsberg-Hörbing
Florian Mauthner, Valentina Vidoz
Bei der Errichtung neuer Gebäude kommen immer wieder, oft auch zufällig, historisch-archäologisch interessante Hinterlassenschaften zu Tage, welche dann ein rasches Erkunden durch die Archäologie erfordern. Es gibt aber auch Fälle, wo Grundbesitzer bereits im Vorhinein mit dem Bundesdenkmalamt Kontakt aufnehmen und einer archäologischen Erforschung ihrer Liegenschaft offen gegenüberstehen, wie es nun in Deutschlandsberg, KG Hörbing der Fall ist. Im Vorfeld eines geplanten Wohnbauprojektes sind vom Verein ASIST (Archäologisch-Soziale Initiative Steiermark) in Zusammenarbeit mit der Steirischen Arbeitsförderungsgesellschaft (StAF) und dem Burgmuseum Archeo Norico Deutschlandsberg nun großflächige Grabungen am Grundstück Ecke Schwanberger Straße und Grazer Straße (Parz. 42/1, KG Hörbing) im Gange, welche bemerkenswerte Einblicke in die frühe Besiedlung von Deutschlandsberg erlauben.
Topographisch betrachtet liegt Deutschlandsberg in einem der Koralpe vorgelagertem Becken, welches sich nach Osten hin in das breite Flusstal der Laßnitz öffnet. Der heutige Flusslauf ist reguliert, dürfte zuvor aber zum Teil stark mäandriert und seinen Lauf wiederholt verändert haben. Der Ortsteil Hörbing selbst liegt am südlichen Rand des Deutschlandsberger Beckens, wo sich ein Ost-West-orientierter Höhenzug mit dem Kogelbauerkogel sowie dem Ulrichsberg aufbaut. Die Bodenverhältnisse sind durch die Flussläufe beeinflusst und zeigen Bereiche aus Flusssand und Flusssteinen.
Im nahezu gesamten Bereich der heurigen Grabungsfläche konnten Überreste einer bronzezeitlichen Besiedlung aus dem 15.–13. Jh. v. Chr. nachgewiesen werden. Neben einigen (Vorrats-)Gruben und verlandeten Bachläufen sticht besonders der Grundriss eines Ständerbaus mit einem Megaron-artigen Vorbau im Westen (Haus 1/2022) heraus, welches in zweischiffiger Bauweise eine Fläche von ca. 8 x 5 m (ca. 40 m² Innenfläche) besitzt. Die insgesamt sechzehn Pfostengruben des Gebäudes beinhalteten Keramikbruchstücke, Holzkohlereste und Hüttenlehmfragmente mit Holzbalkenabdrücken, in einer Pfostengrube konnte die Negativform eines Holzpfostens nachgewiesen werden. Ein zwischen zwei Pfostengruben von Haus 1/2022 verlaufendes Gräbchen, welches ebenfalls bronzezeitliche Keramik beinhaltet, könnte ein kleiner Anhaltspunkt für die Rekonstruktion einer Innengliederung des Gebäudes sein.
Die Verfüllung einer Pfostengrube von Haus 2/2022 erbrachte neben Keramikfragmenten eines Vorratsgefäßes auch Webgewichte, die zusammen mit Webgewichten aus weiteren Gruben für eine Textilverarbeitung sprechen.
Leider waren bisher aufgrund der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung des Geländes keine weiteren Innenstrukturen erkennbar. Die Gefäßkeramikbruchstücke zeigen zeittypische Formen und weisen als Zierelemente aus Rillen und Ritzlinien gefertigte gefüllte Dreiecke und Mäander sowie Fingertupfen- und Kerbleistendekor auf, wie sie bereits aus früheren Grabungen bekannt sind.
In den Jahren 1990/91 wurden im Zuge der Errichtung eines Pflegewohnheimes auf einer Fläche von 9000 m² sechs Pfostenbauten freigelegt, welche neben einschiffigen Bauten auch mehrschiffige Gebäude aufwiesen. Die geborgene Keramik erscheint besonders eindrucksvoll, ebenso konnte durch 14C-Analysen eine naturwissenschaftlich gestützte Datierung zwischen 1430–1310 v. Chr. erbracht werden.[1] Die bisher bearbeiteten Funde deuten auf eine zweiphasige Besiedlung hin[2], welche wohl durch die heurigen Grabungen bestätigt werden kann.
Ebenso gab es in den letzten Jahren weitere Notgrabungen durch das Burgmuseum Archeo Norico und die Grabungsfirma ARGIS (Dr. Gerald Fuchs) auf den Parz. 78/3 und 77/6 (beides KG Hörbing), wo bronzezeitliche Gruben mit bemerkenswerter Keramik zu Tage gekommen sind.[3]
Im Jahr 2020 konnten am Ulrichsberg im Zuge einer baubegleitenden Maßnahme Reste eines Gebäudes und einer Befestigung dokumentiert werden, welche an den Übergang von der Spätbronze- zur Urnenfelderzeit datiert werden kann.[4]
Einen weiteren interessanten siedlungsgeschichtlichen Aspekt betonen Funde und Befunde aus der Mittel- und Spätlatènezeit sowie der römischen Periode (2. Jh. v. Chr. bis 2. Jh. n. Chr.), wobei hier vor allem die augusteisch-frührömischen Funde (um die Zeitenwende) hervorzuheben sind. Hierzu zählen neben einem Amphorenfragment auch Bruchstücke von Dreifußschalen und Keramikscherben, welche sich mit Funden aus den frühen Gräbern der Hügelgräberfelder von Rassach und Leibenfeld vergleichen lassen. In die ausgehende Latènezeit lassen sich eine grabenartige Struktur und einige Pfostengruben setzen, welche unter anderen auch mit Scherbenwirteln und Webgewichten gefüllt waren, wogegen eine 4,8 x 5 m große, mit großen Flusssteinen gefüllte Grube mit frührömischer Keramik noch nicht überzeugend interpretiert werden kann.
Die hier aufgedeckten spätlatènezeitlichen und römischen Funde und Befunde lassen sich gut in das bekannte Bild einer ausgedehnten, vicusartigen Besiedlung von Hörbing einpassen, welche neben Wohnbauten aus Pfostenstellungen auch Handwerksbereiche mit Metallverarbeitung und Töpferei aufweisen.[5]
Weitere interessante Befunde stellen verfüllte, in die Römerzeit zu datierende Grabenanlagen dar, wie sie auch in der heurigen Grabung festgestellt wurden. Eventuell dürfen diese Gräben zur Entwässerung bzw. auch als Grenzgräben zur Parzellierung angesprochen werden.[6] Bei weiteren Notgrabungen konnte eine Vielzahl an römischen Gruben und ein Gebäude mit Eisenverhüttung[7] gefunden werden. Unter den Funden ist eine römerzeitliche Großschüssel erwähnenswert.[8]
Bei der heurigen Grabung wurden einige spätrömische Keramikfragmente freigelegt, die wieder zusammengesetzt werden konnten. Die Restaurierung ergab den unteren Teil eines Topfes. Der Unterteil wird durch eine horizontale Zierlinie vom Gefäßbauch getrennt. Der rötliche Ton weist mäßig feinen Glimmer und relativ starke Einschlüsse mit feingemahlenem Quarzsand auf. Die verschiedenen Verfärbungen der Außenoberfläche (schwarz bis dunkelgrau und hellgrau bis beige mit rötlicher Fleckung) entstanden durch Sekundärbrand. Im Vergleich zur Innenoberfläche, die sehr rau ist, wurde die Außenseite sauber geglättet. Das Gefäß dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit durch langsame Drehtischarbeit entstanden sein. Ein vergleichbares Exemplar wurde 1990 nahe der heurigen Grabung in Hörbing gefunden. Im Zuge einer Rettungsgrabung wurde von Ulla Steinklauber ein spätantiker Töpferofen freigelegt. Der längsovale Ofen mit den Maßen 1,50 x 1,20 m wies eine Ofenkuppel, die aus senkrecht gegliederten Bachgeröll über einer verziegelten Innenschale errichtet wurde, auf. Überzogen war die Kuppel mit Sand und Lehm und ausgekleidet mit großen Steinen. Zudem war der Ofen mit der Hölle (Feuerkammer) und dem
unteren Stück des Ofenmantels in den anstehenden lehmigen Boden eingetieft. Die Hölle setzte sich aus drei Stegen zusammen, welche zwei Heizkanäle bildeten. Zwischen der Hölle und dem Schürhals befand sich ein zirka 0,30 m großer Zwischenraum, der mit großen senkrechten Keramikscherben ausgelegt wurde. Diese dienten als Hitzeschild. Weiters weist der Ofen eine interessante Art von Tenne auf, da die zwei parallellaufenden Heizkanäle mit Gefäßscherben überdeckt waren.[9]
Die zahlreichen Keramikfragmente konnten sich beinahe bis zur Gänze wieder zusammensetzten lassen, so wie auch das Vergleichsexemplar.[10] Der Topf wies einen ausbiegenden Rand auf. Im äußeren, oberen Gefäßrand befinden sich horizontal schwache Drehlinien, sowie knapp darunter im Schulterbereich ein Wellenband. Der Ton ist stark gemagert, dunkelgrau bis weißgrau (durch Brandeinwirkung). Durch eine 14C-Analyse des Ofens konnte ein naturwissenschaftlich gestütztes Datum von 540–620 n. Chr. eruiert werden.[11] Aufgrund des auffällig späten Radiokarbondatums wurden zwei weitere naturwissenschaftliche Untersuchungen in Auftrag gegeben: Zum einen eine weitere 14C-Analyse, welche ein Datum zwischen 60–130 n. Chr. (1 Sigma) beziehungsweise 10–210 n. Chr. (2 Sigma) erbrachte, wobei der Grund für die beiden unterschiedlichen Datierungen offenbleiben muss. Andererseits wurde eine archäomagnetische Untersuchung durchgeführt, welche einen Datierungsansatz zwischen 204–457 n. Chr. ergab. Anhand dieser neuen Daten kann wohl von einer Errichtung des Töpferofens im 3. oder frühen 4. Jh. n. Chr. ausgegangen werden[12], eventuell deutet das zweite, spätere Radiokarbondatum auf eine Nutzung des Töpferofens bis in die Spätantike hin.
Das kürzlich gefundene Keramikgefäß entspricht von der Tonmischung, Gefäßinnen- und Außenstruktur (Glättung innen und außen) weitgehend dem Keramikgefäß der Grabung von 1991. Auch die sekundäre Oberflächenverbrennung der beiden Keramikgefäße ist gleich, somit wäre die Herstellung der Gefäße in der gleichen Werkstatt und vom gleichen Töpfer nicht ausschließbar.
Im Norden der Grabungsfläche, in Richtung des heutigen Verlaufs der Laßnitz, zeigen sich sandige Schwemmschichten, welche auf Hochwassersituationen hindeuten, aber interessanterweise mit einer Vielzahl an mittelalterlichen Gefäßkeramikfragmenten aufwarten können. Diese umfassen fassförmige Töpfe, Schalen, Schüsseln und zeigen auch typische Kremp- und Kragenränder, die allesamt eine Zeitspanne vom 13. bis ins 15. Jh. abdecken. Die hier aufgefundenen Bruchstücke lassen sich gut mit jenen aus den hoch- und spätmittelalterlichen Schichten auf der Burg Deutschlandsberg vergleichen[13] und deuten auf eine weitläufige mittelalterliche Besiedlung hin.
Die bisherigen Grabungsergebnisse bringen neue und vertiefende Kenntnisse zur Deutschlandsberger Siedlungsgeschichte von der Mitte des 2. Jahrtausends vor Christus bis heute. Die Ausdehnung der bronzezeitlichen Siedlung erweist sich nun jedoch als deutlich größer und passt sich sehr gut in das neue Bild einer überraschend dichten Besiedlung der westlichen Steiermark in der Bronzezeit ein, wie auch die Grabungen auf der Trasse der Koralmbahn gezeigt haben. Die Siedlungen selbst sind in Tallage, immer in der Nähe von Wasserläufen zu finden[14], wie es sich auch anhand der verlandeten Bachläufe in Hörbing zeigt, und sind in ein- sowie mehrschiffigen Pfostenbauten errichtet. Vereinzelte Pfostengruben geben auch Hinweise auf eine ähnliche Gebäudekonstruktion in der fortgeschrittenen Latènezeit, wobei auch hier, annähernd wie in den bronzezeitlichen Gruben, Scherbenwirtel und Webgewichte auf eine durchaus ausgeprägte Textilverarbeitung schließen lassen.
Bemerkenswert erscheint auch das Auftreten von vorwiegend frührömischer Keramik aus den Jahrzehnten rund um die Zeitenwende, welche sich aber mit den bisherigen Erkenntnissen zum nicht weit entfernten Hügelgräberfeld Leibenfeld decken.[15] Dass die vicusartige Siedlung der Römerzeit bis in die Spätantike eine wichtige Rolle spielt, kann durch den Nachweis von Töpferöfen und Gefäßbruchstücken gut gezeigt werden.
Anmerkung
[1] Bernhard Hebert, Baubefunde der mittelbronzezeitlichen Siedlung von Hörbing bei Deutschlandsberg, Steiermark. In: Fundberichte aus Österreich 34, 1995 (1996), 301–304.
[2] Andreas Bernhard, Ausgewählte bronzezeitliche Funde aus Hörbing bei Deutschlandsberg und Freidorf im Sulmtal, Weststmk. In: Georg Tiefengraber (Hg.), Studien zur Mittel- und Spätbronzezeit am Rande der Südostalpen. Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie 148 (Bonn 2007) 205–230.
[3] Gerald Fuchs, Talbodenarchäologie in Deutschlandsberg-Hörbing. In: Fundberichte aus Österreich 54, 2015 (2017), D6020–D6029 [in Folge: Fuchs, Deutschlandsberg-Hörbing]; Pascale Brandstätter/Gerald Fuchs u. a., KG Hörbing. In: Fundberichte aus Österreich 55, 2016 (2018), 458 [in Folge: Brandstätter/Fuchs, Hörbing].
[4] Florian Mauthner, Vorbericht über die archäologische Maßnahme am Ulrichsberg bei Deutschlandsberg. In: Fundberichte aus Österreich 59, 2020 (2022), D7953–D7966.
[5] Vgl. Elisabeth Haspl, Die römische Siedlung Deutschlandsberg (KG Hörbing und Leibenfeld). Gesamtvorlage der Befunde der Grabungen der Jahre 1988 – 2017 sowie der Funde des Jahres 2005 (Masterarbeit Graz 2019) [in Folge: Haspl, Deutschlandsberg], 107–113. [URL: https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/download/pdf/4565890?originalFilename=true (18.09.2022)].
[6] Vgl. Haspl, Deutschlandsberg 5f., 51.
[7] Fuchs, Deutschlandsberg-Hörbing; Brandstätter/Fuchs, Hörbing.
[8] Andreas Bernhard, Bericht zur Grabung Hörbing 2015. In: Fundberichte aus Österreich 54, 2015 (2017), D6030–6034.
[9] Ulla Steinklauber, Der spätantike Töpferofen von Hörbing bei Deutschlandsberg. In: Fundberichte aus Österreich 30 (1991), 175–181 [in Folge: Steinklauber, Töpferofen].
[10] Vgl. Steinklauber, Töpferofen 180, Taf. 1,1.
[11] Vgl. Steinklauber, Töpferofen 179.
[12] Bernhard Hebert/Ulla Steinklauber, Naturwissenschaftliche Zugänge zur Datierung neuer archäologischer Befunde und altbekannter Bauobjekte in der Steiermark. In: Blätter für Heimatkunde 89/1-2 (2015), 8–13.
[13] Bernhard Schrettle/Florian Mauthner u. a., Archäologie und Baugeschichte der Burg Deutschlandsberg. In: Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 37 (2021), 136–140.
[14] Vgl. Georg Tiefengraber, Bronzezeit. In: Bernhard Hebert (Hg.), Urgeschichte und Römerzeit in der Steiermark (= Geschichte der Steiermark 1, Wien–Köln–Weimar 2015), 330f.; Gerald Fuchs, Mittel- bis spätbronzezeitliche Siedlungen auf der Trasse der Koralmbahn, Weststeiermark (Österreich): Ein Arbeitsbericht. In: Christoph Gutjahr/Georg Tiefengraber (Hgg.), Beiträge zur Mittel- und Spätbronzezeit sowie zur Urnenfelderzeit am Rande der Südostalpen. Akten des Internationalen Symposiums am 25. und 26. Juni 2009 in Wildon/Stmk. (= Internationale Archäologie – Arbeitsgemeinschaft, Symposium, Tagung, Kongress 15, = Hengist-Studien 2, Rahden 2011), 119–139.
[15] Georg Tiefengraber, Eine ausgewählte Fundstelle: Das römerzeitliche Hügelgräberfeld in Leibenfeld bei Deutschlandsberg. In: Bernhard Hebert (Hg.), Urgeschichte und Römerzeit in der Steiermark (= Geschichte der Steiermark 1, Wien–Köln–Weimar 2015), 744–747.
Mag. Florian Mauthner, geb. 1986 in Graz, Studium der Archäologie an der Karl-Franzens-Universität Graz. Von 2010 bis 2017 Mitarbeiter der Stadtarchäologie St. Pölten, ab 2017 Mitarbeiter bei ASIST. Seit 2019 Doktoratsstudium der Archäologie an der Universität Graz mit einem Dissertationsprojekt zur Latènezeit der westlichen Steiermark.
Valentina Vidoz, geb. 1996 in Feldkirch (Vbg.), Studentin der Archäologie an der Karl-Franzens-Universität Graz. Grabungsmitarbeit an in- und ausländischen Forschungsgrabungen, derzeit Mitarbeit an der Grabung in Deutschlandsberg Hörbing.