Zur Sonderausstellung „Ehre und Eitelkeit. 100 Jahre Ehrenzeichen der Republik Österreich 1922–2022“ im Münzkabinett des Universalmuseums Joanneum in Schloss Eggenberg
Karl Peitler
Zum 100. Mal jährt sich heuer der Beschluss des Bundesgesetzes über die Schaffung des Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich durch den Nationalrat im Jahr 1922. Die Zweite Republik knüpfte daran an und stiftete 1952 erneut ein Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. Das Universalmuseum Joanneum und die Österreichische Gesellschaft für Ordenskunde kooperieren anlässlich dieser Jubiläen zum dritten Mal bei der Ausrichtung einer ordenskundlichen Ausstellung: Zu sehen ist „Ehre und Eitelkeit“ noch bis 30. Oktober 2022 im Münzkabinett des Universalmuseums Joanneum in Schloss Eggenberg.[1]
Das Verlangen, sich vor anderen auszuzeichnen, dekoriert und geehrt zu werden, ist eine zutiefst menschliche Eigenheit, die dem Streben nach Anerkennung entspringt und mit einer weiteren Triebfeder menschlicher Handlungen verwandt ist: der Eitelkeit. Diese Bedeutungsbeziehung zwischen den Begriffen „Ehre“ und „Eitelkeit“, die durch die Alliteration der beiden Wörter noch unterstrichen wird, brachte die Ausstellungskuratoren Hermann Dikowitsch, Christian Frech, Helmut-Theobald Müller, Karl Peitler und Johann Stolzer dazu, einer Schau, die sich staatstragenden Repräsentationssymbolen widmet, einen doch etwas provokanten, doch zugleich publikumswirksamen Titel zu geben.
Das Ehrenzeichen der Republik Österreich
Vor 100 Jahren – am 4. November 1922 – beschloss der Nationalrat das Bundesgesetz über die Stiftung eines Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich. Bei der Gestaltung der Dekorationen wurde in bewusster Abkehr von den Ritter- und Verdienstorden der k. u. k. Monarchie und in Verfolgung einer Anregung von Bundeskanzler Ignaz Seipel auf das charakteristische Krückenkreuz, rot oder weiß emailliert, zurückgegriffen.[2] Im Ständestaat wurde das Ehrenzeichen von der Bundesregierung im Jahr 1934 – unter Beibehaltung des Aussehens und seiner mittlerweile 16 Grade – in den Österreichischen Verdienstorden mit affiliierten Verdienstzeichen und Verdienstmedaillen umgewandelt bzw. umbenannt.[3]
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 wurde auch in der „Ostmark“ das deutsche Auszeichnungswesen eingeführt und ein Trageverbot für den Verdienstorden erlassen. Vor 70 Jahren – am 2. April 1952 – führte der Nationalrat mit der erneuten Stiftung einer Bundesauszeichnung die Tradition des Jahres 1922 weiter und schuf wiederum ein Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich mit 15 Graden, aber mit anders gestalteten Insignien in Form von rot-weiß-rot emaillierten Malteserkreuzen.[4]
In der Ausstellung „Ehre und Eitelkeit“ werden folgende Auszeichnungen der Ersten Republik, des Ständestaates und der Zweiten Republik gezeigt:
- die Ehrenzeichen von 1922 und 1952
- der Verdienstorden von 1934
- das Ehrenzeichen und die Verdienstkreuze für Kunst und Wissenschaft von 1934
- das Ehrenzeichen und die Ehrenkreuze für Wissenschaft und Kunst von 1955
- die Ressortauszeichnungen des Innen- und des Verteidigungsministeriums.
Darüber hinaus werden rare und hochwertige Dekorationen der österreichischen Bundesländer (z. B. der Ring des Landes Tirol mit dem Stern) präsentiert, wobei auf jene der Steiermark speziell eingegangen wird.
Bei der Legung der Exposita verfolgten die Kuratoren das Prinzip, dass die Dekorationen der Ersten Republik und des Ständestaates jenen der Zweiten Republik gegenübergestellt werden, weil auf diese Weise für die Ausstellungsbesucher·innen auf den ersten Blick ersichtlich wird, dass sich zwar die Insignien des Ehrenzeichens der Zweiten Republik geändert haben, seine Abstufungen aber das Ehrenzeichen der Ersten Republik bzw. den Verdienstorden des Ständestaates widerspiegeln.
Die Auszeichnungen des Landes Steiermark
Der österreichische Verfassungsgerichtshof sprach den Bundesländern 1950 die Kompetenz zu, eigene Auszeichnungen zu stiften. Seither wurden in der Steiermark 14 tragbare Ehrungen mit 34 Klassen geschaffen, und es entwickelte sich jene Vielfalt, die in der Ausstellung zu sehen ist.[5]
Die allgemeinen Landesauszeichnungen:
1959: Ehrenring des Landes Steiermark
1971: Ehrenzeichen des Landes Steiermark mit fünf Klassen
1997: Lebensrettungsmedaille am weiß-grünen Band
2017: Ehrenmedaille des Landtages Steiermark
Die Auszeichnungen für den Bereich des Feuerwehr- und Rettungswesens sowie des Katastrophenschutzes:
1952: Medaille für 25-jährige und 40-jährige eifrige und ersprießliche Tätigkeit auf dem Gebiete des Feuerwehr- und Rettungswesens; seit 2006 auch für 50-, 60-, 70-, 75- und 80-jährige Tätigkeit bzw. Zugehörigkeit
1952: Verdienstkreuz für besondere Leistungen oder hervorragende Verdienste auf dem Gebiete des Feuerwehr- und Rettungswesens; seit 1978 in Gold, Silber und Bronze
2009: Steirische Katastrophenhilfe-Medaille in Gold, Silber und Bronze
Die tragbaren Sportauszeichnungen:
2015: Landesportehrenring
2010: Sportleistungsmedaille in Gold, Silber und Bronze
2010: Sportverdienstzeichen in Gold, Silber und Bronze
Die nicht mehr zur Verleihung gelangenden Auszeichnungen:
1958: Medaille für Verdienste beim Hochwassereinsatz 1958
1960: Steirische Erinnerungsmedaille 1960
1965: Hochwassermedaille in Gold, Silber und Bronze (bis 2010)
Exemplarische Provenienzen
Viele der 176 ausgestellten Dekorationen stammen aus dem Besitz von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, von Mitgliedern der Bundes- und Landesregierungen, der gesetzgebenden Körperschaften oder der hohen Beamtenschaft sowie von weiteren Ausgezeichneten, die für die Republik Österreich hervorragende gemeinnützige Leistungen erbracht und/oder langjährig und beispielgebend gewirkt haben. Sie sind deswegen nicht nur ordenskundlich bedeutsame Insignien, sondern auch aussagekräftige Realien der österreichischen Gesellschafts- und Sozialgeschichte.
So sind in der Ausstellung die höchsten Auszeichnungen zu sehen, die von Bundespräsident Wilhelm Miklas und Bundeskanzler Kurt Schuschnigg getragen wurden: der Großstern des Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich, der von Wilhelm Miklas im Jahr 1928 angenommen wurde, und das Großkreuz I. Klasse mit dem Adler, das im Jahr 1936 an Bundeskanzler Kurt Schuschnigg verliehen wurde. Diese im Jahr 1935 gestiftete Sonderstufe des Österreichischen Verdienstordens war Regierungschefs und höchsten Würdenträgern vorbehalten, neben Bundeskanzler Schuschnigg erhielten nur drei ausländische Politiker und ein geistlicher Würdenträger diese Auszeichnung: der italienische Duce Benito Mussolini, die ungarischen Regierungschefs Gyula Gömbös (Ministerpräsident 1932–1936) und Kalman Daranyi (Ministerpräsident 1936–1938) sowie der Primas von Ungarn, Kardinal Jusztinian György Seredi.[6] Das Großkreuz I. Klasse mit dem Adler ist nicht nur ein wichtiges Symbol des autoritären Ständestaates, sondern zeigt anhand seiner Verleihungen auch, wie isoliert Österreich in den Jahren vor dem Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland in der internationalen Staatengemeinschaft war.
Den Kuratoren war es ein Anliegen, Auszeichnungen von Personen zu zeigen, die gerade in und für die Steiermark gewirkt haben oder in diesem Bundesland tätig sind. Als Beispiele dürfen die Dekorationen von Landeshauptmann-Stellvertreter a. D. Prof. Kurt Jungwirth und der Bildhauerin, Zeichnerin und Malerin Hortensia Fussy genannt werden. Von Prof. Jungwirth werden das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark mit dem Stern und das Große goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich mit dem Stern präsentiert, die Künstlerin Hortensia stellte für die Ausstellung ihr goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich zur Verfügung.
Begleitband zur Ausstellung
Da das Erscheinen der beiden grundlegenden Werke von Günter E. Schmidt[7] schon über 20 Jahre zurückliegt, seither aber speziell von den Bundesländern und vom Innen- und Verteidigungsministerium einige Auszeichnungen neu geschaffen wurden (z. B. die Ehrenmedaille des Landtages Steiermark und das Ehrenzeichen des Landes Steiermark für Wissenschaft, Forschung und Kunst im Jahr 2017, die Milizmedaille und die Militär-Anerkennungsmedaille des österreichischen Bundesheeres im Jahr 2006 oder das Abzeichen für besondere Tapferkeit und das Anerkennungszeichen des Bundesministeriums für Inneres im Jahr 2013), war das Jubiläum der willkommene Anlass, in einer Monographie in der Reihe der Kleinen Schriften der Zeitschrift Schild von Steier einen aktuellen Überblick über das gesamtösterreichische Auszeichnungswesen vorzulegen.[8] Das Buch, das die Entwicklungsgeschichte der österreichischen Auszeichnungen von den Anfängen unserer Republik bis zur im September 2021 gestifteten Covid-19-Erinnerungsmedaille behandelt und eine umfassende Dokumentation der in der Ausstellung gezeigten Objekte beinhaltet, ist beim Phoibos Verlag oder über die Österreichische Gesellschaft für Ordenskunde erhältlich.
Anmerkung
[1] Kurzvideo zur Schau: „Ehre und Eitelkeit“ im Münzkabinett
[2] Seipel sah in den Attributen Hammer und Sichel, die der österreichische Wappenadler in seinen Fängen hält, „bolschewistische Symbole“, die im Ausland einen „ungünstigen Eindruck“ machen könnten, und förderte deswegen das christliche Krückenkreuz als staatliches Symbol. Vgl. Peter Diem, Die Symbole Österreichs. Zeit und Geschichte in Zeilen (Wien 1995), 122f.
[3] Zur Geschichte der Auszeichnungen in der Zwischenkriegszeit: Günther Erik Schmidt, Ehrenzeichen und Orden im Österreich der Zwischenkriegszeit 1918–1938 (Graz 1994) [in Folge: Schmidt, Ehrenzeichen und Orden 1918–1938]; Christian Frech, Die Auszeichnungen, Ehrenzeichen und Orden der Ersten Republik, des Bundesstaates und der Zweiten Republik. In: Universalmuseum Joanneum/Österreichische Gesellschaft für Ordenskunde (Hgg.), Ehre und Eitelkeit. 100 Jahre Ehrenzeichen der Republik Österreich 1922–2022. Begleitband zur Ausstellung des Universalmuseums Joanneum und der Österreichischen Gesellschaft für Ordenskunde im Münzkabinett Schloss Eggenberg, 5. Mai bis 30. Oktober 2022 (= Schild von Steier, Kleine Schriften 25, Graz 2022), 7–45 [in Folge: Frech, Auszeichnungen, Ehrenzeichen und Orden], hier: 7–29.
[4] Zur Geschichte der Auszeichnungen der Zweiten Republik: Günther Erik Schmidt, Orden und Ehrenzeichen Österreichs 1945–1999 (Wien 1999) [in Folge: Schmidt, Orden und Ehrenzeichen 1945–1999]; Frech, Auszeichnungen, Ehrenzeichen und Orden 30–45.
[5] Zu den Auszeichnungen des Landes Steiermark: Helmut-Theobald Müller, Die Auszeichnungen und Ehrenzeichen des Bundeslandes Steiermark. In: Universalmuseum Joanneum/Österreichische Gesellschaft für Ordenskunde (Hgg.), Ehre und Eitelkeit. 100 Jahre Ehrenzeichen der Republik Österreich 1922–2022. Begleitband zur Ausstellung des Universalmuseums Joanneum und der Österreichischen Gesellschaft für Ordenskunde im Münzkabinett Schloss Eggenberg, 5. Mai bis 30. Oktober 2022 (= Schild von Steier, Kleine Schriften 25, Graz 2022), 71–87.
[6] Schmidt, Ehrenzeichen und Orden 1918–1938, 122.
[7] Schmidt, Ehrenzeichen und Orden 1918–1938; Schmidt, Orden und Ehrenzeichen 1945–1999.
[8] Universalmuseum Joanneum/Österreichische Gesellschaft für Ordenskunde (Hgg.), Ehre und Eitelkeit. 100 Jahre Ehrenzeichen der Republik Österreich 1922–2022. Begleitband zur Ausstellung des Universalmuseums Joanneum und der Österreichischen Gesellschaft für Ordenskunde im Münzkabinett Schloss Eggenberg, 5. Mai bis 30. Oktober 2022 (= Schild von Steier, Kleine Schriften 25, Graz 2022).