Ladislaus Gundaker Graf Wurmbrand-Stuppach (1838–1901) – Dem Gründer der Historischen Landeskommission für Steiermark zum Gedenken
Gernot Peter Obersteiner
„Unserer Zeit aber gehört Graf Ladislaus Gundakar an, der Pfahlbautenforscher und redekundige Parlamentarier, der es immer als einen großen Vorzug des Abgeordneten betrachtet, nicht als Stimmabgeber mit dem großen Haufen zu gehen, sondern seine höchsteigene Meinung zu haben.“ Mit diesen Worten würdigt Constant von Wurzbach 1889 in seinem „Biographischen Lexikon des Kaiserthums Oesterreich“ die Persönlichkeit des Grafen Ladislaus Gundaker Wurmbrand-Stuppach. 1892 wurde unter der Ägide Wurmbrands als damaligem Landeshauptmann die Historische Landeskommission für Steiermark gegründet, die es als Ehrenpflicht ansieht, die Gruft ihres Gründers zu seinem Andenken zu pflegen.
Politiker und Wissenschaftler
Ladislaus Gundaker (auch Gundacker, Gundakar) Graf von Wurmbrand-Stuppach wurde am 9. Mai 1838 in Josefstadt (Böhmen; heute Josefov, Stadt Jaroměř, Tschechische Republik) als Sohn des Ferdinand Grafen Wurmbrand (1807–1886) und der Aloisia geb. Gfn. v. Széchényi (1807–1842) geboren; sein Vater war später Generalmajor und Geheimer Rat und bekleidete auch die Stelle eines Obersthofmeisters von Erzherzog Franz Karl, dem Vater Kaiser Franz Josephs I. Aus der österreichischen Linie einer alten, bis ins späte 12. Jahrhundert zurückreichenden Adelsfamilie stammend, wurde der junge Wurmbrand in den Jahren nach der Revolution von 1848 von Hauslehrern unterrichtet und bereiste danach u. a. Frankreich und den Vorderen Orient. Seine militärische Laufbahn als Offizier in der k. k. Armee begann er bei den Husaren und schloss sie als Rittmeister ab, 1866 erwarb er sich beim Alpenjägercorps das Militär-Verdienstkreuz für den Einsatz in Kämpfen gegen italienische Freischärler. Seit 1860 am väterlichen Gut Ankenstein in der Untersteiermark gemeinsam mit seiner Schwester Adelaide mit Philosophie und Spiritismus befasst, widmete sich Wurmbrand später an der Universität Graz dem Studium naturwissenschaftlicher Fächer, wobei sein Hauptinteresse der Anthropologie und der Prähistorie galt, besonders der Höhlenforschung, den Pfahlbauten und der Hallstattkultur. So wurde Wurmbrand 1871 Mitbegründer der Anthropologischen Gesellschaft in Wien und verfasste mehrere wissenschaftliche Arbeiten, die auch im Druck erschienen.
Politisch war Wurmbrand zunächst von 1878 bis 1899 als Abgeordneter zum Steiermärkischen Landtag in der Kurie des Großgrundbesitzes tätig, 1879 erfolgte seine Wahl in das Abgeordnetenhaus des Reichsrates (Kurie Handelskammern; bis 1897). In allen seinen Funktionen war Wurmbrand für seine zahlreichen wohlfundierten Reden zu ökonomischen, budgetären sowie infrastrukturellen Themen bekannt. Als Mitglied der deutsch-liberalen Partei trat er im Reichsrat – allerdings erfolglos – dafür ein, Deutsch zur Staatssprache der Habsburgermonarchie zu erheben. Die Förderung von Wissenschaft, Forschung und Kunst sowie des Verkehrswesens (Lokaleisenbahnen) und des Tourismus gehörten zur politischen Agenda Wurmbrands während seiner Amtszeiten als Landeshauptmann der Steiermark (Sept. 1884 bis Nov. 1893, Dez. 1896 bis Dez. 1897) bzw. als Handelsminister (Nov. 1893 bis Juni 1895). Die Würden eines k. u. k. Kämmerers, kaiserlichen Geheimen Rates und Ritters des Ordens von der Eisernen Krone I. Klasse sowie des Ehrenpräsidenten des Historischen Vereines für Steiermark spiegeln Wurmbrands Verdienste und hohes Ansehen.
Seinen großen archäologischen und historischen Interessen entsprechend, betrieb Wurmbrand die Neuorganisation des Landesmuseums Joanneum und förderte im Landesausschuss (dem Vorläufer der heutigen Landesregierung) die von einer Gruppe steirischer Historiker angeregte Gründung einer Historischen Landeskommission für dieses Kronland innerhalb der österreichisch-ungarischen Monarchie. Unter dem Vorsitz von Landeshauptmann Wurmbrand erstattete der Sprecher des Finanzausschusses, Franz Graf Attems, in der Landtagssitzung vom 5. April 1892 Bericht: Es könne zwar nicht geleugnet werden, dass „vielfach verdienstvolle Werke bezüglich der Geschichte Steiermarks existiren“, doch sei es eine Tatsache, „daß eine systematische Geschichte des Landes und besonders eine Geschichte der inneren Verhältnisse der Verwaltung und eine Darstellung der wirthschaftlichen Entwicklung der Steiermark vorläufig noch nicht in entsprechender Weise vorhanden ist, und daß die diesbezüglichen Partien noch nicht genügend zur Darstellung gebracht sind. Außerdem muß man den großen Bücher- und Actenschatz in Erwägung ziehen, welcher sich im Landesarchive befindet, ein Institut, das dem Lande große Auslagen verursacht, bisher aber kaum in entsprechender Weise verwerthet worden ist“. Dieser Anspruch floss schließlich auch in das mit 19. Mai 1892 datierte Statut der neugegründeten Historischen Landeskommission ein, die sich wenige Wochen später unter dem Vorsitz von Landeshauptmann Wurmbrand konstituierte. Das ambitionierte Arbeitsprogramm der Kommission, die bis heute unter dem Vorsitz des jeweiligen Landeshauptmannes der Steiermark steht, wurde seither mehrfach umgestaltet und erweitert und hat in zahlreichen Forschungsprojekten und Publikationen nicht zu überschätzende Ergebnisse für die steirische Landesgeschichtsforschung erbracht.
Ladislaus Gundaker Graf von Wurmbrand-Stuppach starb am 26. März 1901 im Haus Schumanngasse 14 in Graz an den Folgen eines Schlaganfalls. Er hinterließ seine zweite Ehefrau Theresia, eine geborene Freiin von Wenckheim und verwitwete Gräfin von Hoyos (1853–1941), die er 1886 geheiratet hatte. Seiner 1871 geschlossenen ersten Ehe mit Wilhelmina Freiin Dickmann von Secherau (1853–1885) waren die Kinder Ferdinandine (1872–1954, verheiratet mit Johann Nepomuk Gf. Pálffy v. Erdőd), Adalberta (1873–1945, verh. mit Maximilian Baron Kübeck von Kübau), der schon recht jung verstorbene Sohn Heinrich (1878–1897) sowie Alexandrine Theodore (1883–1929, verh. mit Gustav Frhr. v. Mensshengen) entsprossen. Dem Trauerkondukt des vormaligen Landeshauptmannes zur Familiengruft am Grazer Leonhard-Friedhof folgten mehrere hundert Trauergäste, darunter die Prinzen von Orléans und zu Windischgrätz, mehrere kaiserliche Minister, der Statthalter der Steiermark Graf Clary und Aldringen und dessen Vorgänger Freiherr Kübeck von Kübau, Landeshauptmann Graf Attems und viele weitere hohe Beamte von Land und Stadt, Vertreter öffentlicher Stellen sowie Repräsentanten von Universität und Vereinen. „Dem von sechs prächtigen, reich mit Silber beschirrten Rappen nach englischer Art bespannten Leichenwagen wurden zwei mit Kränzen dicht bedeckte Blumenwagen vorangefahren“, berichtete das Grazer Volksblatt. Auf diesen lagen zahlreiche prächtige Kränze und Blumengebinde „mit schweren Seidenschleifen in verschiedenen Farben ausgestattet, mit in Gold- und Silberlettern angebrachten sinnigen Widmungen“. Unter den Kränzen befanden sich auch solche des Historischen Vereines für Steiermark, des Landesmuseums Joanneum sowie der Karl-Franzens-Universität – die Historische Landeskommission scheint damals noch nicht korporativ als eigenes Gremium auf.
Zum Gedenken an den Gründer der HLK
Anlässlich ihres 125-Jahr-Jubiläums anno 2017 wandte sich die Historische Landeskommission aus Pietätsgründen dem Beisetzungsort ihres Gründers, Landeshauptmann Ladislaus Gundaker Graf Wurmbrand-Stuppach, zu. Schon 2005 hatte das Landesarchiv historische Erhebungen zur Familiengruft Wurmbrand-Kübeck am Leonhard-Friedhof angestellt, doch waren damals noch keine weiteren Schritte zur Pflege unternommen worden. Mittlerweile erregte das Grab Ärgernis, da sich Ausläufer eines massiven Efeustockes immer wieder in alle Richtungen auf die benachbarten Grabmonumente ausbreiteten. Das Grabrecht der Familie Wurmbrand-Kübeck war 2016 erloschen, eine Unterschutzstellung seitens des Bundesdenkmalamtes nicht (mehr) möglich, das Grab an die Pfarre „heimgefallen“ und niemand mehr wirklich verantwortlich, weshalb der Ständige Ausschuss der HLK als Geste anlässlich des Jubiläumsjahres verschiedene Pflegemaßnahmen in Auftrag gab, um der Grabstelle ihres Gründers wieder ein würdiges Aussehen zu geben. Im Jahre 2020 schließlich erwarb die HLK das Grabrecht für die Dauer von vorerst einem Dezennium. War der Efeu-Bewuchs trotz tatkräftiger Mitarbeit des HLK-Büros weiterhin nur schwer im Zaum zu halten, so meldete die Friedhofsverwaltung 2021 wegen des porösen Steinmaterials des Grabaufbaues Gefahr im Verzug, was weitere grundlegende Sanierungsmaßnahmen notwendig machte. Um den Charakter der Grabstelle wenigstens ansatzweise zu retten, sollte dabei vom Sandstein-Aufbau wenigstens das halbe Rondell mit der grauen Schieferplatte und dem eingravierten Kreuz erhalten bleiben, doch wurde diesem Wunsch des Ständigen Ausschusses seitens der ausführenden Firma leider nicht Rechnung getragen. Und da die gültige Friedhofsordnung auch keinerlei hölzerne oder metallene Grabeinfassungen zulässt bzw. eine Gefährdung von Passanten nicht ausgeschlossen werden konnte, entschied man sich seitens der HLK auch für die Entfernung des schmiedeeisernen Gitters.
Wenn somit das Erscheinungsbild der Grabstelle in Summe gegenüber früher nun doch eher als „reduziert“ zu bezeichnen ist, so konnte die HLK wenigstens eine gewisse optische Balance des Gesamteindrucks erreichen. In das rechte, freie Feld des Grabmonuments wurde nämlich eine farblich und schriftmäßig passende Tafel eingelassen, die auf das abermalige Gründungsjubiläum der HLK im Jahre 2022 Bezug nimmt und gleichzeitig das Gedenken an ihren Gründer auf Dauer wachhält. Ihr Text lautet:
Zum Gedächtnis an Landeshauptmann Gundacker Reichsgraf von Wurmbrand-Stuppach, den ersten Vorsitzenden der Historischen Landeskommission für Steiermark, anlässlich ihres 130-jährigen Bestehens (1892–2022) in ehrender Erinnerung gewidmet.
Die Gruft der Grafen von Wurmbrand-Stuppach
Die Mitte des aus Sandstein gearbeiteten Grabmonumentes bildet, in rosafarbenen Marmor gehauen, das Stammwappen der Grafen Wurmbrand-Stuppach: (In Silber) ein (schwarzer) Lindwurm mit Stachelschwanz, der einen auf beiden Seiten (rot) brennenden (natürlichen) Ast im Rachen hält und aus dessen Ohren (rote) Flammen hervorgehen. Im Oberwappen auf dem Helm mit (schwarz-silbernen) Decken die Schildfigur. Das Wappen ist unterhalb bezeichnet mit „Grafen Wurmbrand“.
Die Inschriften lauten (in eckigen Klammern der Verwandtschaftsgrad zum Landeshauptmann Ladislaus Gundaker Graf Wurmbrand-Stuppach):
Ferdinand Graf Wurmbrand (1807–1886), Geheimer Rat, Generalmajor [Vater]
Heinrich Graf Wurmbrand (1834–1887), k. k. Rittmeister a. D., Kämmerer [Bruder]
Heinrich Graf Wurmbrand (1877–1897) [Sohn]
Gundacker Reichsgraf Wurmbrand-Stuppach, k. u. k. Kämmerer, Geheimer Rat, Rittmeister a. D., k. k. Handelsminister a. D., gewesener Landeshauptmann der Steiermark, Ritter des Ordens der Eisernen Krone I. Klasse, Besitzer des Militär-Verdienstkreuzes
Johann Nepomuk Graf Pálffy (1872–1953) [Schwiegersohn]
Maximilian Freiherr von Kübeck (1868–1945), k. k. Rittmeister a. D., Herr und Landmann in Tirol [Schwiegersohn, verh. mit Adalberta Gräfin Wurmbrand-Stuppach]
Hans Freiherr Kübeck zu Kübau (1911–1977), Herr und Landmann in Tirol, Goldschmiedemeister und Gründer der Firma Kübeck [Enkel, Sohn des Maximilian und der Adalberta]
Der Grabstellenkartei zufolge wurden außerdem in der Gruft beigesetzt (Namen auf einer später entfernten Tafel im rechten Feld des Monumentes?):
Adalberta von Kübeck (1873–1945) [Tochter, verh. mit Maximilian Freiherrn von Kübeck]
Gustav Baron Mensshengen (1877–1947) [Schwiegersohn, verh. mit Alexandine Gräfin Wurmbrand-Stuppach]
Henriette von Kübeck (gest. 1948) [?]
Ferdinandine Edeltraud Gräfin Pálffy (1872–1954) [Tochter, verh. mit Johann Nepomuk Graf Pálffy]
Literatur/Quellen
Gernot Obersteiner, Ladislaus Gundaker Graf Wurmbrand-Stuppach. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 16, Lief. 72 (Wien 2021), 376.
Hannes P. Naschenweng, Die Landeshauptleute der Steiermark 1236–2002 (Graz 2002), 187f.
Othmar Pickl (Hg.), 100 Jahre Historische Landeskommission für Steiermark 1892–1992. Bausteine zur Historiographie der Steiermark (= Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 36, Graz 1992).
Stenographisches Protokoll des Steiermärkischen Landtages, VII. Periode, II. Session, 25. Sitzung, 5. April 1892.
Grazer Volksblatt (29. 3. 1901).
Akten der Friedhofsverwaltung Graz-St. Leonhard.
Verwaltungsakten der HLK.
HR Mag. Dr. Gernot Peter Obersteiner MAS, Studium der Geschichte und Germanistik in Graz sowie Staatsprüfung am Institut für Österreichische Geschichtsforschung in Wien; Direktor des Steiermärkischen Landesarchivs, Obmann des Historischen Vereins für Steiermark und Mitglied der Historischen Landeskommission.
Forschungsschwerpunkte: Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte von Mittelalter und Neuzeit, historische Landeskunde Innerösterreichs, (Kommunal-)Heraldik.