Eine neu entdeckte kupferzeitliche Höhensiedlung bei Greith in der Obersteiermark
Astrid Steinegger
Durch den Raningerkogel vom bekannten Pölshals getrennt liegt die kleine Ansiedlung Greith. Westlich der wenigen, vom Pölstal aus zugänglichen Häuser streicht vom Gerschkogel ein Ausläufer gegen Süden, der in nahezu senkrechten Wänden gegen das Murtal abfällt. Unmittelbar nördlich über diesem einprägsamen, vom Murtal aus auch markant ins Auge fallenden Steilabbruch finden sich auf einem von Westen nach Osten orientierten, länglichen Felsstock Spuren, die man auf den ersten Blick wohl am ehesten mit einer Wehranlage in Verbindung bringen möchte.
Auf knapp unter 900 m Seehöhe erstreckt sich ein längsrechteckiges Plateau von rund 700 m2 Grundfläche. Im Süden ist der längliche Felsstock fast an den Steilabbruch gerückt, nur ein schmales, tiefer liegendes Plateau von ca. 2,5 m Breite bildet hier einen Puffer zum Murtal. Dieses verbreitet sich gegen Osten auf etwa 30 m und gemahnt an eine Art Vorburg. Auch im Westen, Osten und gegen Nordosten ist die Anlage durch natürliche Steilhänge geschützt. Im Norden ist der Abhang zwar auch relativ steil, doch beträgt der Höhenunterschied zur nächsten Terrasse und somit zur Bergseite nur etwa 10 m. Nicht ohne Grund wirkt die Abbruchkante hier auf der nahezu gesamten Länge von etwa 50 m befestigt. Eine neuzeitliche Nachnutzung der Anlage ist durch einen Steinbruch im Südosten und einen Kalkbrennofen auf der tiefer liegenden Terrasse im Norden, zu dem auch ein nicht mehr genutzter Hohlweg führt, gesichert. Doch wie sieht es mit der ursprünglichen Nutzung aus – spätantik, mittelalterlich oder doch irgendwie prähistorisch? Diese Frage blieb ungeklärt, denn was bislang völlig fehlte, war Fundmaterial.
Was also kann passieren, wenn etwas da ist, aber man nicht so recht weiß, was es eigentlich ist? Im gegenständlichen Fall entschloss sich das Bundesdenkmalamt zu einer selbst durchgeführten Feststellungsgrabung (Leitung: Mag.a Drin Astrid Steinegger). Mitte Juli 2023 wurde im Norden des zentralen Plateaus direkt an der anscheinend befestigten Hangkante eine fünftägige archäologische Ausgrabung durchgeführt. Der Schnitt wurde in der Größe derart angelegt, dass in diesem kurzen Zeitraum mit kleinem Team größtmöglicher Erkenntnisgewinn zu erwarten war. Auch die Positionierung an der Geländekante war natürlich absichtlich gewählt.
Die Grabung begann mit einem vermeintlichen Dämpfer. Bereits zuvor war in Absprachen mit dem Bundesdenkmalamt auf dem gegenständlichen Grundstück und insbesondere dem Plateau eine Prospektion mit Metallsonden durch Mitglieder der Georgsgemeinschaft zu Praitenfurt (St. Georgen ob Judenburg) durchgeführt worden. Diese erbrachte jedoch keinerlei vorrezenten Funde. Die Enttäuschung der Herren, die das Ausgrabungsteam am ersten Tag besuchten, war deutlich spürbar. Doch wie so oft in der Archäologie wendete sich das Blatt um 180 Grad. Ausschlaggebend hierfür war nicht nur die massive Steinlage, die bereits nach wenigen Stunden deutlich erkennbar freilag, sondern auch die ersten Funde, die zeigten, dass metallenes Fundmaterial gar nicht zu erwarten gewesen war.
Die wenigen Quadratmeter archäologische Ausgrabung erbrachten schlussendlich den Nachweis einer kupferzeitlichen Siedlung auf dem Plateau über der Mur. Diese zeichnet sich im Befund durch Planierschichten und wenige darin eingetiefte Gruben unterschiedlicher Größe aus. Das noch nicht näher bearbeitete Keramikmaterial weist bei der Erstbegutachtung aufgrund charakteristischer Formen – wie dem Fragment zumindest einer Knickwandschüssel der Kanzianiberg-Lasinja-Gruppe – und Verzierung mittels Einstichen auf eine in die frühe Kupferzeit (4300–3900 v. Chr.) zu datierende Siedlungsstelle hin. Eine der Grubenverfüllungen barg zudem erfreulicherweise das Fragment eines kleinen Beils aus grünlichem Stein (wohl Serpentinit). Die Baugrube für die Steinschlichtung, die frei von Interpretationen vorläufig sehr allgemein nur als massive Terrassenbefestigung bezeichnet sei, greift in die kupferzeitlichen Planierungen ein und datiert diese somit jünger. Hier werden Datierungsvorschläge wohl über Analogien erfolgen müssen. Wenig verwundert es aber, dass auch aus dem schluffigen, glimmerhaltigen Beimaterial der Steinschlichtung kupferzeitliche Keramikfragmente geborgen werden konnten. Der nur rund 1,0 m breite Eingriff der Archäolog:innen offenbarte einen treppenförmigen Aufbau des Interfaces, wobei als unterste Lage im Bereich der nur wenige Dezimeter hohen Geländestufen immer deutlich größere, flache Steine verwendet wurden. Die Steine der plateaunächsten Reihe wirkten – mit Vorsicht den geringfügig breiten Eingriff bedenkend – wie hochkant aufgestellt.
Im Gegensatz zu den südlichen und östlichen Landesteilen sind jenseits der Mur-Mürz-Furche nur wenige Siedungstellen der frühen Kupferzeit bekannt: So sind Befunde oder siedlungsindizierendes Fundmaterial in ausreichender Menge nur vom Kaiserköpperl bei Bärndorf (Rottenmann im Paltental), vom Georgiberg bei Kindberg (Mürztal) oder vom Burgberg bei Eppenstein (Aichfeld-Granitzental) nachgewiesen. Im Jahr 1928 führte Walter Schmid am Pölshals – also in unmittelbarer Nähe der gegenständlichen Fundstelle – eine archäologische Grabung durch, die ebenfalls frühkupferzeitliches Fundmaterial erbrachte und zudem einem Kupferflachbeiltypus seinen Namen gab („Typ Altheim, Variante Pölshals“). Bei der großen Mehrheit der Fundstellen handelt es sich um kleine Höhensiedlungen, die verstärkt in der mittleren Steiermark auftreten. Die wenigen bereits als inneralpin zu bezeichnenden Fundplätze könnten hierbei mit der zunehmenden Erschließung dieses Raums und der Suche nach Kupfererzlagerstätten in Verbindung zu bringen sein – eine Überlegung, die auch im Fall der Höhensiedlung von Greith naheliegend erscheint.
Ein Ende der kupferzeitlichen Schichten war zu Grabungsende noch nicht abzusehen, der Schnitt wurde aber – wie zuvor mit dem Grundeigentümer abgesprochen – wieder zugeschüttet. Die Bearbeitung der Funde und Befunde ist für den Winter 2023/24 vorgesehen. Die anfängliche Enttäuschung der in das Projekt involvierten regionalen Unterstützer hat sich in Gegenteil gewandelt. Die ausführenden Archäolog:innen können sich dem nur mit Freude anschließen.
Mag.a Dr.in Astrid Steinegger, geb. 1977 in Graz, promovierte 2017 an der Karl-Franzens-Universität Graz. Ab 2010 selbstständige Archäologin mit Schwerpunkt Mittelalterarchäologie. Seit 2012 Lehrtätigkeit an den Universitäten Graz und Klagenfurt. Bis Ende 2018 Vorstandsvorsitzende des Vereins FIALE (Forschungsgruppe zur interdisziplinären Aufarbeitung landeskulturellen Erbes) – im Zuge dessen Durchführung mehrjähriger kulturwissenschaftlicher Projekte in der Obersteiermark (u. a. Frauenburg). Seit 2019 Mitarbeiterin der Abteilung für Archäologie des Bundesdenkmalamtes mit Dienstort in Klagenfurt (Archäologie Kärnten).