Der Dietenberg und seine Verteidigungsanlagen
Florian Mauthner, Klaus Schindl
Der Dietenberg bei Ligist (Bezirk Voitsberg) stellt mit seiner Höhensiedlung eine der bedeutendsten archäologischen Fundstellen der Steiermark dar, die auch aufgrund der besonderen Verteidigungsanlage unter Denkmalschutz steht und durch diese wieder in den Fokus der Wissenschaft gekommen ist.
Lage und Topographie
Der Dietenberg ist eine inselartige Erhebung am nordwestlichen Abschluss des breiten Kainachtales und wird im Nordosten von ebendieser Kainach und im Nordwesten vom Ligistbach umflossen. Durch seine inselartige Form mit steilen Abhängen, deren Gipfel durch ein ost-west-verlaufendes Plateau ausgebildet ist, stellt er eine natürliche Barriere Richtung Nordwesten dar und bietet zudem einen weiträumigen Ausblick über die mittlere und westliche Steiermark. Dieser Ausblick umfasst die Erhebungen westlich von Graz, wie etwa den Plabutsch, den Buchkogel oder auch den Schöckl im Norden, über das Grazer Feld bis zum Wildoner Schlossberg und Buchkogel und weiter in den Süden bis an die slowenische Grenze. Neben dieser strategisch wichtigen Aussicht liegt der Berg auch an einem verkehrsgeographisch wichtigen Punkt am Weg von der Süd- und Weststeiermark über das Gaberl in die Obersteiermark bzw. das Murtal oder auch über die Pack ins Kärntner Lavanttal.
Der Dietenberg selbst gliedert sich in das bereits eingangs genannte Siedlungsplateau am Gipfel sowie steile Abhänge, die mit künstlichen Siedlungsterrassen und einem damit verbundenen, komplexen Verteidigungssystem ausgestattet sind. Dieses System besteht aus sieben noch erkennbaren, künstlich angelegten Siedlungsterrassen, welche jeweils mit einer Wallanlage geschützt sind, die so eine hintereinander gestaffelte Verteidigung ermöglichten. Es ist davon auszugehen, dass der heute durch den Weinbau geprägte Südhang eine ähnlich komplexe Anlage besaß, die jedoch restlos zerstört ist. Der Zugang zur Siedlung führte wohl einerseits durch eine im Osten anzunehmende Toranlage, die heute durch die mittelalterliche Überprägung und einen modernen Wasserspeicher zerstört ist. Der zweite, noch heute sichtbare Zugang erfolgte von Norden von Krottendorf aus über einen noch erkennbaren Hohlweg bis auf etwa halbe Höhe des Berges, wo ein Zangentor das Innere der Siedlung sicherte. Von dieser Toranlage Richtung Osten sind dem Hauptwall in Richtung des Zugangsweges aufgeschüttete Querwälle, sog. „Reitergassen“, vorgelagert, welche den Fokus der diesjährigen Grabungen darstellten.
Das Phänomen der sog. „Reitergassen“
Die umstrittene Bezeichnung der unter anderem am Dietenberg vorzufindenden Querwälle als „Reitergasse“ ist wohl auf die späten 60er und 70er des letzten Jahrhunderts zurückzuführen, als erstmals in der deutschsprachigen einschlägigen Literatur Beschreibungen davon auftauchen.[1] Diese wurden und werden auch heute direkt in Verbindung mit sogenannten „Ungarnrefugien“ gebracht, die wegen der Bedrohung durch ungarische Reitergruppen an älteren, bestehenden Wallanlagen mittels einfacher Erdaufschüttungen der Verschanzung gedient haben dürften. Das gemeinsame Auftreten der Ungarnwälle mit den Reitergassen veranlasste fortan häufig dazu, alle Wehranlagen mit zumindest einem dieser Merkmale direkt in die Ungarnzeit zu datieren.[2] Ausgrabungen fanden an diesen süddeutschen Verteidigungsanlagen keine statt, jedoch hielt man an der Ungarntheorie fest, obwohl hauptsächlich urgeschichtliches und kaum mittelalterliches Fundmaterial bekannt war. Jüngst wurde dieser forschungsgeschichtliche Trugschluss sehr detailliert im bislang umfassendsten Werk zum Thema „Reitergasse“ aufgeklärt.[3]
Derartige Annäherungshindernisse wurden relativ einheitlich angelegt. Sie verlaufen meist im rechten Winkel zu einer Wallanlage, wobei immer freier Raum oder ein Graben zwischen Wall und Querriegeln besteht. Sie weisen jedoch stark unterschiedliche Längen von rund fünf bis über 30 Metern auf, mit einem ungefähren Abstand von fünf bis 10 Metern zueinander. Die Anzahl der Hindernisse variiert sehr stark und ist stets dem Gelände angepasst. Sie befinden sich immer an Schwachstellen von Befestigungsanlagen, meist dort, wo wenig oder kein natürlicher Schutz durch Abhänge vorhanden ist. Annäherungshindernisse dieser Art können der Form nach grob in drei Gruppen eingeteilt werden:
1. aufgeschüttete Wälle
a. mit durchschnittlicher Länge unter 10 m
b. mit durchschnittlicher Länge über 20 m
2. ausgehobene Gruben ohne Aufschüttung
3. schachbrettartige, mehrreihig gestaffelte Felder.
Zweck und Funktion
Gänzlich hypothetisch verbleiben die Theorien bezüglich des Zwecks der Errichtung derartiger Verteidigungsanlagen. Weitgehend anerkannt ist die Erklärung, damit berittene Bogenschützen auf Distanz zu halten und am Entlangreiten des Walles zu hindern. Während es ohne schriftliche Quellen unmöglich ist, diese Theorie zu widerlegen, sprechen doch einige Argumente dagegen:
- Ein Angriff auf eine Festung zu Pferde ist nur bedingt effektiv. Reiter müssten absitzen, um Wälle zu übersteigen.
- Effektiv ist der Einsatz von Bogenschützen als Plänklern, die Pfeile in parabolischer Flugbahn ins Innere der Festung abfeuern. Selbst die längsten Annäherungshindernisse der Gruppen 1 und 2 sind für derartige Schussdistanzen von mindestens 50 m zu kurz.[4] Einzige Ausnahme stellt die Birg bei Hohenschäftlarn (Bayern) dar, deren Hindernisse der Gruppe 3 über 50 m tief sind.
- Der Errichtungsaufwand derartiger Querriegel ist verhältnismäßig hoch, wenn man andere Methoden der effektiven Bekämpfung von Kavallerie betrachtet. Meist genügen einfache Konstruktionen aus Holz, wie die aus der Neuzeit weithin bekannten „Chevaux de friese“, die auch als „Spanische Reiter“ bezeichnet werden. Ein Reiter springt inmitten des Kampfes nicht vom Pferd, um Hindernisse abzubauen, wogegen sich ein Infanterist den Weg nicht so einfach versperren lässt.
Die primäre Verwendung zum Schutz vor Kavallerie ist aus diesem Blickwinkel eher unwahrscheinlich. Effektiver wären diese Querriegel, die mehrere enge Gassen formen, in denen sich – wie im konkreten Fall am Dietenberg – ein Spitzgraben befunden hat, um Fußsoldaten zu verlangsamen und sie am Erreichen des Walls zu hindern. Einmal in die Gasse eingedrungen, sind Kampfgruppen aufgespalten und aufgrund der eingeschränkten Beweglichkeit nach links und rechts leichtes Ziel für Verteidiger mit Fernkampfwaffen. Diese Theorie wird anhand der dort als Strahlengräben bezeichneten Burganlage Esesfelth (Schleswig-Holstein) plausibel dargestellt.[5]
Datierung
Die weithin gängige Datierung in die Zeit der Ungarneinfälle ist mangels archäologischer Befunde bis auf weiteres nicht haltbar. Belastbare Daten lieferten bislang fünf Forschungsprojekte mit Relevanz für den Dietenberg. Dabei überrascht die geographische und zeitliche Spreizung vergleichbarer Anlagen von mehr als fünf Jahrtausenden:
- Provadia Solnitsata, Bulgarien: ca. 4.600 v. Chr.[6]
- Hinterer Berg, Bayern: 9. Jhdt. v. Chr.[7]
- Dietenberg, Steiermark: 3. Jhdt. v. Chr.
- In den Gleiern, Nordrhein-Westfalen: 2.–1. Jhdt. v. Chr.[8]
- Esesfelth, Schleswig-Holstein: 7. Jhdt. n. Chr.[9]
Angesichts der enormen geographischen Ausdehnung solcher Annäherungshindernisse ist nicht auszuschließen, dass ein Großteil vergleichbarer archäologischer Denkmäler bereits eingeebnet und deshalb nicht mehr erkennbar ist. Offenbar handelt es sich um ein bewährtes fortifikatorisches Element, das unter bestimmten Voraussetzungen – sei es topographischer oder technologischer Natur – und in unterschiedlichsten Epochen Verwendung fand.
Dietenberg: Chronologischer Überblick
Erste Siedlungsspuren konnten am Dietenberg bereits in der Kupferzeit (5./4. Jahrtausend v. Chr.) durch Keramik und Steingeräte erfasst werden. Besonderes Augenmerk fällt hier auf Pfeilspitzen[10] und einen tönernen Rollstempel, von dem es zwei Vergleichsstücke in St. Stefan ob Stainz und am Frauenberg bei Leibnitz gibt[11].
In der sog. Urnenfelderzeit (11.–9. Jh. v. Chr.) ist die nächste Nutzung anhand einer Lanzenspitze, zweier Gewandnadeln sowie unterschiedlichster Keramikgefäße fassbar, wobei hier das Fragment eines Mondidols bzw. Feuerbocks bemerkenswert erscheint.
Neben einigen charakteristischen Fragmenten der Hallstattzeit (Ha C, 8./7. Jh. v. Chr.) sind vor allem die Befunde und Funde der jüngeren Eisenzeit, auch Latènezeit genannt, zwischen dem späten 4. Jh. und dem 1. Jh. v. Chr. wichtig. Im Gipfelbereich des Dietenbergs wurde im Zuge von Forschungsgrabungen des Universalmuseum Joanneum ein Gebäude mit einer Grundfläche von 12 x 8 m freigelegt, welches lehmgemörtelte Fundamente bestehend aus anstehendem Gestein und Steinplatten besaß. Das im Inneren des Gebäudes geborgene Fundmaterial umfasst Keramik vorwiegend aus der Spätlatènezeit sowie Reste von Lehmverputz und Eisengegenstände[12]. Noch heute sind im Gelände und auf den Siedlungsterrassen weitere Hausgrundrisse zu beobachten.
Eine letzte Nutzungsphase ist im Mittelalter nachzuweisen, wo sich in spornartiger Lage im Ostbereich des Gipfelplateaus die 1066 genannte Dietenburg als eine der drei frühesten Burgen der Steiermark befunden haben dürfte. Aus diesem Bereich sind vereinzelt mittelalterliche Fundstücke bekannt, jedoch dürfte die Anlage bereits im 12. Jh. nach Errichtung der Burg Ligist verlassen worden sein und wurde im Zuge der Bauarbeiten von Wasserspeichern größtenteils zerstört[13]. Die oben genannten Funde sind teilweise im Ortsmuseum in Ligist und im Universalmuseum Joanneum ausgestellt.
Grabungsbefunde 2023
Die heurigen Arbeiten umfassten drei Grabungsschnitte am Nordabhang, welche dankenswerterweise vom Grundeigentümer gestattetet und vom Verein Erlebnis Archäologie in Kooperation mit der Archäologisch-Sozialen Initiative Steiermark und dem Archeo Norico Burgmuseum Deutschlandsberg unter tatkräftiger Mithilfe von freiwilligen MitarbeiterInnen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich sowie lokalen Heimatforschern um Prof. Ernst Lasnik durchgeführt wurden.
Ein Grabungsschnitt wurde im Bereich der untersten Terrasse angelegt, wo durch Geländemerkmale auch mit einem Hauptwall zu rechnen war, weshalb der Schnitt vom nördlichen Geländeabfall über den Wall und die dahinterliegende Terrasse bis zum südlich davon ansteigenden Hang geöffnet wurde. In diesem Schnitt konnte eine massive Erosionsschicht festgestellt werden, in welcher einige Fragmente latènezeitlicher Keramik gefunden wurden. Im Bereich des Walles wurde eine aufgeworfene Steinkonzentration, wohl zum Teil auch Wallversturz, freigelegt, die mit lockerem Erosionsschutt gefüllt war und aus welcher ebenfalls latènezeitliche Keramik sowie ein Spinnwirtel geborgen wurden. Im Zuge des Abtrages dieser „Wallkonstruktion“ zeichneten sich im unteren Teil Reste zweier aus lokalem Bruchstein errichtete Steinlagen ab, deren Zwischenraum mit lockerem, umliegendem Erosionsmaterial gefüllt war und eventuell die ursprüngliche Konstruktion des Walles darstellt. Unter der genannten Erosionsschicht und der Wallkonstruktion konnte eine durchgehende, lehmige Schicht dokumentiert werden, in welcher vereinzelt späthallstattzeitliche Keramikbruchstücke zu finden waren. Bemerkenswerterweise konnten im Bereich der angelegten Terrasse, also zwischen Wallaufschüttung und dem Hang im Süden, abgesehen von drei Pfostenlöchern keine Hinweise auf Siedlungstätigkeit erbracht werden.
Nördlich unterhalb liegend wurden bei den Querriegeln bzw. Annäherungshindernissen zwei Schnitte angelegt, um deren Aufbau und Errichtungszeitraum erfassen zu können. Ein Schnitt wurde im oberen Bereich der „Reitergasse“ angelegt, um die mögliche Verbindung zum südlich anschließenden Hang zu verstehen, die durch die Anlage eines älteren Forstweges teilweise zerstört wurde, während ein zweiter Schnitt weiter östlich im unteren Bereich der „Reitergasse“ weitere Aufschlüsse geben sollte. Beide Schnitte zeigten, dass die Konstruktion der Annäherungshindernisse gleich ausgeführt war.
Anstehendes schuttiges Material wurde aufgeworfen und zwischen den Wallaufschüttungen ein tiefer (teilweise bis 1,6 m) Spitzgraben ausgehoben, wobei auf den Wallkörpern Steine als Wallkrone aufgelegt waren. Im oberen, südlichen Bereich werden die Annäherungshindernisse leider durch einen Forstweg gestört, jedoch konnten Reste der ehemaligen Konstruktion erfasst werden. Die Wallkörper liefen gegen Süden den natürlichen Hang aufwärts, wo dann eine in annähernd halbrunder Form angeordnete Steinlage den Spitzgraben versperrte, sodass ein Zugang nicht möglich war. Südlich dieser Steine, unter und zwischen denen latènezeitliche Keramikfragmente aufgefunden werden konnten, war am Fuße des ansteigenden Hanges ein Ost-West-verlaufender Graben ausgehoben, der wohl dazu diente, das Oberflächenwasser des Hanges abzuleiten, um die „Reitergassen“ vor Überschwemmungen zu schützen.
Fundmaterial der Grabung
Aus allen ergrabenen Wallaufschüttungen, ferner aus dem Spitzgraben und aus den Steinlagen der „Reitergassen“ sowie aus den Erosionschichten konnten Keramikfragmente geborgen werden, die allesamt in die Latènezeit zu datieren sind. Die Fragmente bestehen aus feingemagertem, seifigem Ton mit ocker- bis hellbrauner und selten hellgrauer Farbgebung. An keramischen Formen sind fassförmige Töpfe, bauchige Töpfe und flaschenartige Kegelhalsgefäße sowie Fragmente von Schalen zu nennen.
Die flaschenförmigen Kegelhalsgefäße mit horizontaler Zier aus einer Kombination von Furchen und Wülsten haben Vergleiche in Grab 1 von Unterpremstätten-Zettling[14] oder auch in Grab 3 des Grabhügels 9[15] im Gräberfeld Lang und stellen klassische Vertreter der Stufe LT B dar. Der bauchige Topf mit Riefenzier und ausladendem, abgestrichenem Rand weist Vergleiche im Fundmaterial der Grabungen des Universalmuseums am Dietenberg selbst auf und wird in LT C1 datiert[16].
Im Allgemeinen lassen in einer ersten Übersicht die horizontal flach abgestrichenen Ränder eine Datierung in LT B und LT C zu, wobei die unterschiedlichen Arten von Kammstrichverzierungen wohl eher auf LT C schließen lassen. Ein keramisches Sonderstück ist der doppelkonische Spinnwirtel aus rotgrauem Ton, der ein gängiges Fundobjekt in latènezeitlichen Siedlungen darstellt.
Aus der unter dem Hauptwall durchlaufenden Lehmschicht konnten Keramikbruchstücke mit gröberer, leicht blasiger Magerung, grauroter Färbung und leicht seifiger Konsistenz geborgen werden, die in die späte Hallstattzeit (Ha D2/3, 6./5. Jh. v. Chr.) gesetzt werden können.
Die im Zuge der Grabung in den Wallaufschüttungen und Gräben geborgenen Keramikfragmente lassen auf Errichtung des Hauptwalles und der vorgelagerten Annäherungshindernisse in der ausgehenden Frühlatènezeit (Stufen LT B/C, 3. Jh. v. Chr.) schließen. Die unter der Aufschüttung des Hauptwalles gefundenen Keramikbruchstücke deuten auch auf eine Nutzung in der Späthallstattzeit hin.
Zusammenfassung
Die heurigen Grabungen am Dietenberg hatten die Datierung der bemerkenswerten Verteidigungsanlage zum Ziel und stellten vor Allem die erste archäologische Grabung an „Reitergassen“/Annäherungshindernissen in ganz Österreich dar.
Die Errichtung der Querriegel am Dietenberg erfolgte durch die Aufschüttung von lokal anstehendem, steinigem Schuttmaterial, welches zu Wällen aufgebracht wurde und auf deren Krone lokale plattige Steine zur Verstärkung aufgelegt waren. Zwischen diesen Wällen entstanden – wohl auch als Ergebnis der Wallaufschüttungen – schmale Spitzgräben mit bis zu 1,6 m Tiefe, welche die Manövrierfähigkeit herannahender Kämpfer stark einschränkte. Das obere Ende dieser Spitzgräben wurde durch eine Steinkonstruktion abgeschlossen, welche in halbrunder Form von Wall zu Wall führte. Hinter dieser Konstruktion war ein querverlaufender Graben angelegt, der das vom dahinterliegenden Hang kommende Wasser ableitete, um die Annäherungshindernisse vor Überschwemmung zu schützen.
Durch die Ausmaße der „Reitergassen“ am Dietenberg mit einer Länge zwischen 7,7 und 10 m und der Konstruktion der Spitzgräben kann die Funktion wohl mit der Abwehr von Fußsoldaten in Verbindung gebracht werden und nicht mit der Nutzung als Hindernis für eine Reiterei.
Der Hauptwall auf der unteren Siedlungsterrasse ist in seiner ersten Bauphase wohl ursprünglich in Zweischalentechnik errichtet worden, wo zwei Wangen aus lokalem Gestein aufgeschlichtet und mit lokalem Erdmaterial verfüllt wurden. Über dieser Konstruktion wurden dann später lokale Steine und Erdmaterial aufgeschüttet, um dem Wall Stabilität zu geben.
Die Funde in den Wallanlagen und im Graben der „Reitergasse“ zeichnen ein klares Bild einer Errichtung im 3. Jh. v. Chr. und sprechen aufgrund fehlender, späterer Funde für eine einphasige Bautätigkeit und kurze Nutzungsdauer.
Für die Siedlung am Dietenberg bedeutet dies neben der kupfer- und urnenfelderzeitlichen Nutzung eine wichtige Rolle in der jüngeren Eisenzeit, wie bereits das freigelegte Gebäude am Gipfel und die Vielzahl an latènezeitlichen Funden zeigen[17]. Möglicherweise ist die Errichtung der bemerkenswerten Verteidigungsanlage mit Hauptwall und Annäherungshindernissen auf eine bisher nicht fassbare Bedrohungslage im 3. Jh. v. Chr. zurückzuführen. Inwieweit die Anlage der höher gelegenen Siedlungsterrassen ebenfalls in diese Errichtungszeit fällt, kann derzeit aufgrund fehlender Grabungen nicht beantwortet werden. Anhand der bisher fehlenden Siedlungsreste hinter dem Hauptwall mag hier eventuell mit einer großen Rückzugsanlage gerechnet werden, bei der auch die Bevölkerung des Umlandes im Ernstfall hinter den Verteidigungsanlagen geschützt war.
Diese Grabungsergebnisse sind insofern auch für die „Reitergassen“-Forschung von großer Bedeutung, da hier eine prähistorische Errichtungszeit festgestellt wurde und damit abermals eine mittelalterlich-ungarnzeitliche Zeitstellung dieser Anlagen revidiert werden konnte.
Anmerkungen
[1] Klaus Schwarz, Die Birg bei Hohenschäftlarn. Eine Burganlage der karolingisch-ottonischen Zeit. In: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern 18 (1971), 222–238. sowie Otto Schneider, Archäologische Wanderungen um Augsburg. In: Führer zu Archäologischen Denkmälern in Schwaben 1 (1977), 67–72.
[2] Peter Ettel, Ungarnburgen – Ungarnrefugien – Ungarnwälle. Zum Stand der Forschung. In: Zwischen Kreuz und Zinne. Festschrift für Barbara Schock-Werner zum 65. Geburtstag (= Veröffentlichungen der Deutschen Burgenvereinigung. Reihe A: Forschungen, Band 15, 2012), 62. sowie Andreas Boos/Karl Schmotz, Befestigungen des frühen und älteren Mittelalters im ostbayrischen Donauraum. In: Ludwig Husty/Karl Schmotz (Hgg.), Vorträge des 30. Niederbayrischen Archäologentags (Rahden, Westf. 2012), 160.
[3] Markus Schußmann, Kimmerier vs. Magyaren. Zu den „Reiterhindernissen“ auf dem Hinteren Berg bei Landersdorf – ein Beitrag zur Chronologie und Befundgattung. In: Internationale Archäologie. Studia honoraria Band 41 (2022), 493–510 [in Folge: Schußmann, Kimmerier vs. Magyaren].
[4] Gábor Szabó, A shooting experiment with reconstructed Scythian arrows and bows. In: Hungarian Archaeology E-Journal (2021 Autumn), 43–52.
[5] Thorsten Lemm, Streit um Nordelbien – Rekonstruktion und Simulation des dänisch-abodritischen Angriffes auf die fränkische Burg Esesfelth im Jahre 817. Arch. In: Nachr. Schleswig-Holstein 19 (2012), 80.
[6] Vassil Nikolov, Spatial structure and chronological development of the prehistoric salt-production complex of Provadia-Solnitsata. In: Internationale Archäologie. Studia honoria Band 41 (2022), 138–140.
[7] Schußmann, Kimmerier vs. Magyaren 499f.
[8] Eva Cichy, Eine ungewöhnliche Befestigung der vorrömischen Eisenzeit auf dem Höhenrücken „in den Gleiern“ bei Balve. In: Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe Band 12 (2015), 185f.
[9] Thorsten Lemm, Esesfelth und der Burgenbau des 9. bis 10. Jahrhunderts in Nordelbien. In: Mythos Hammaburg. Veröffentlichungen des Helms-Museums, Archäologisches Museum Hamburg, Stadtmuseum Harburg Nr. 107 (2014), 357.
[10] Diether Kramer, Vom Neolithikum bis zur römischen Kaiserzeit. Untersuchungen zur ältesten Besiedlungsgeschichte der Steiermark mit besonderer Berücksichtigung der mittelsteirischen Höhensiedlungen (Diss. Salzburg 1981) [in Folge: Kramer, Vom Neolithikum], hier: 220, 482 (Ligist), Taf. 130/10.
[11] Georg Tiefengraber, Jungsteinzeit und Kupferzeit. In: Bernhard Hebert (Hrsg.), Urgeschichte und Römerzeit in der Steiermark (= Geschichte der Steiermark 1, Wien–Köln–Weimar 22018), 236.
[12] Diether Kramer, Archäologische Feldforschungen der Abteilung für Vor- und Frühgeschichte und Münzensammlung des Landesmuseums Joanneum in der Steiermark. In: Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark 71 (1980), 171–184. Online-Fassung.
[13] Werner Murgg/Manfred Lehner, Zur archäologischen Erforschung von Altburgstellen in den politischen Bezirken Bruck an der Mur, Stadt Graz, Leoben, Mürzzuschlag und Voitsberg. In: Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 26 (2010), 153, 163.
[14] Mitja Guštin/Boris Kavur, Early La Tène Warrior Graves from Unterpremstätten-Zettling and Dobl-Zwaring (Styria/Austria). In: Sándor Berecki (Hg.), Iron Age chronology in the Carpathian basin. Proceedings of the International Colloquium from Târgu Mureş 8–10 October 2015, Bibliotheca Musei Marisiensis. Series Archaeologica 12 (Cluj–Napoca 2016), 66; 72, Taf. 1/5.
[15] Florian Mauthner, Die Ausgrabungen im Gräberfeld von Lang im Jahr 2021. In: Andreas Bernhard/Mitja Guštin u. a. (Hgg.), Die Kelten aus Lang in der Steiermark (= Veröffentlichungen des Archeo Norico Burgmuseum Deutschlandsberg Band 2, Deutschlandsberg 2021), 26–27, Abb. 5/2; 5/4.
[16] Magret Kramer, Latènefunde der Steiermark. In: Kleine Schriften aus dem Vorgeschichtlichen Seminar Marburg 43 (Marburg 1994), [in Folge Kramer, Latènefunde der Steiermark], hier: 35; Taf. 46/1.
[17] Vgl. Kramer, Vom Neolithikum sowie Kramer, Latènefunde der Steiermark 16f.
Mag. Florian Mauthner, geb. 1986 in Graz, Studium der Archäologie an der Karl-Franzens-Universität Graz. Von 2010 bis 2017 Mitarbeiter der Stadtarchäologie St. Pölten, ab 2017 Mitarbeiter bei ASIST. Seit 2019 Doktoratsstudium der Archäologie an der Universität Graz mit einem Dissertationsprojekt zur Latènezeit der westlichen Steiermark.
Klaus Schindl, BA, geb. 1987 in Wien, Von 2008 bis 2013 Studium der Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien. Seit 2020 Studium der Urgeschichte und Historischen Archäologie in Wien. Gründer und Obmann des Vereins Erlebnis Archäologie.