Ein Bild kommt selten allein. Das Buchprojekt „Das Steirische Salzkammergut und ein Seitenblick über den Pötschenpass“
Margit Stadlober
Am 4. Juni 2024 konnte im festlich gestalteten Veranstaltungsraum des Grazer Volkskundemuseum das Buch Das Steirische Salzkammergut und ein Seitenblick über den Pötschenpass, hrsg. v. Christina Pichler, Margit Stadlober und Marion Starzacher erfolgreich präsentiert werden. Es war der Gipfelsturm eines langen, steinigen und letztendlich doch aufwärts führenden Weges, der von der Landeshauptstadt Graz ins gebirgige und wasserreiche Steirische Salzkammergut führte.
Dies Veranstaltung würdigte einerseits das fünfundzwanzigjährige Bestehen des Langzeitprojektes Kunstgeschichte Steiermark an der Universität Graz und leistete zudem einen Beitrag der Universität Graz und der pädagogischen Hochschule Steiermark zur Erhaltung des seit 1997 zum Großteil als UNESCO Welterbe Hallstatt-Dachstein/Salzkammergut (WHS 806) unter Schutz und Naturschutz stehenden Steirischen Salzkammerguts, besonders von der Öffentlichkeit fokussiert im Jahre 2024 als Teil der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Steirisches Salzkammergut. An der Universität Graz konnte für dieses Vorhaben ein eigenes Drittmittelprojekt unter Leitung der Autorin eingerichtet werden. Es ist ferner für Förderungen der Pädagogische Hochschule Steiermark, dem Land Steiermark, der Österreichischen Forschungsgemeinschaft, der Stadt Graz und der Historischen Landeskommission für Steiermark vielmals zu danken. Somit konnte auch die im Projekt angestrebte Vorgabe erfüllt werden, den Forschungsstandort Steiermark mit rezenten Forschungsergebnissen zu bedienen und zu stärken.
Alles begann im Ausstellungsbereich des Steiermärkischen Landesarchivs in Graz. Dort wurden in einer interessanten Ausstellung die Weichen gestellt. Sie war dem Augustinermönch und Kartographen Johannes Clobucchiarich des 16. Jahrhunderts gewidmet, der auch eine Skyline des damaligen Marktes Bad Aussee elegant skizziert hatte. Als Vergleich wurde ein Gemälde ebenfalls mit einer detailreichen Wiedergabe desselben Prospekts gezeigt. Das qualitätsvolle Bild aus dem späten Biedermeier erschien namenlos, was sofort das Forschungsinteresse der Autorin weckte. Die zu Rate gezogene Historikerin und Archivarin Elisabeth Schöggl-Ernst brachte umgehend eine derartige Fülle an Informationsmaterial vor Ort hervor, dass aus einem Bild ein Buch werden sollte. Der anschließende Call trommelte fünfzehn Autorinnen und Autoren und ein Jungtalent der Fotografie zusammen, die mit ihren kompetenten Beiträgen die Publikation vorbildlich mitentwickelten. Sie gehören unterschiedlichen Fachbereichen der Universität Graz und der Pädagogischen Hochschule Steiermark an. Einige kommen aus der Praxis und den Medien. Alle Beiträge sind in erster Linie inspiriert vom Steirischen Salzkammergut mit dem Hinterberger Tal hinter dem Grimming und dem nördlich daran anschließenden Ausseerland. Manche Buch-Mitwirkende sind dort auch gebürtig. Die Vorbereitung nahm sowohl für sie als auch für die Auswärtigen einige Jahre mit intensiver Feldforschung in Anspruch.
Die Beiträge reichen von einer aktuellen geografischen Bearbeitung (Peter Čede, Gerhard, Karl Lieb), Archäologie, Kunst- und Kultur- sowie Literatur-Betrachtungen (Monika Lafer, Christina Pichler, Elisabeth Schöggl-Ernst, Hermann Schröttenhamer, Margit Stadlober, Marion Starzacher), Musik (Eva Maria Hois) über Soziologie (Tarek Leitner), Wirtschaft (Helga Kreutzer) bis zu Flora (Ursula Brosch, Karin Hochegger), Tracht (Yvonne Reith) und Sommerfrische (Susanne Korbel) im Wandel der Zeit. Das vorliegende Buch will im ergebnisreichen interdisziplinären Austausch den bisher vorliegenden Publikationen neue Erkenntnisse gut mitvollziehbar hinzufügen.
Die Verbindungsachse der steirischen Landeshauptstadt zu dieser von der Natur an sich vorteilhaft abgeschirmten Region hat eine lange Historie, geprägt vom Salzhandel. Das ist Grund genug, sie rezent zu beleuchten, um aktuelle Entwicklungen aufzuspüren. Noch ein paar Verbindungen zwischen Graz und dem Steirischen Salzkammergut seien genannt: 1936 beteiligte sich das Grazer Kuratorium Joanneum an den Kosten der Meisterschule für freie und strenge Künste in Grundlsee, einer Abteilung des Joanneums Graz. Und natürlich sei sein Gründer Erzherzog Johann nicht vergessen, der mit seiner Ausseer Gemahlin Anna Plochl, Freifrau von Brandhofen und Gräfin von Meran, nicht nur das Salzkammergut, sondern auch Graz prägte.
Nun ist auch drei Wochen nach der Buchpräsentation der Seitenblick über den Pötschenpass unternommen: Am 23. Juni 2024 eröffnete Tarek Leiter gemäß seinem Buchbeitrag Die große Pose sein umfassend geplantes und eine Woche laufendes, gleichnamiges Projekt im Rahmen der Kulturhauptstadt Bad Ischl Salzkammergut 2024 im Kernbereich der Marktgemeinde von Bad Goisern. Die Bevölkerung war zahlreich erschienen, teilweise mit Identitätsmarkern wie Dirndl, Lederhose und Steirerhut. Plakativ inszenierte Passfotos in Freiluftaufstellung, die sich im Laufe der Woche noch mehren sollten, fungierten als Auslöser für die virulente Kernfrage nach menschlicher Identität am Fallbeispiel der Salzkammergütler·innen, die vor Ort diskutiert werden konnte. Diese über Generationen erstellten Passfotos der Marktgemeinde erwuchsen auf diese Weise von ihrer zweckdienlichen Kleinform in der Vergangenheit zu gegenwärtiger, sehr präsenter, bildnishafter Größe, die eine neue Ästhetik entfaltete. Experimentellen Charakter als praktisches Übungsfeld ergänzte das temporär eingerichtete Fotoatelier.
Neuerscheinung
Christina Pichler/Margit Stadlober/Marion Starzacher, Das Steirische Salzkammergut und ein Seitenblick über den Pötschenpass (Graz 2024). 180 Seiten.
Das Buch ist im Buchhandel um € 30,-- erhältlich.